Der Beginn der Ereignisse scheint klar! Schon Peter
Harer, der zeitgenössische Chronist der Begebenheit,
schreibt hierüber unter der Überschrift »wie
dies schendlich Übel in die Pfalz gekommen«:
»Und es begab sich, als in eym Dorf, bey Landaw
gelegen, Nußdorff geheißen, am Sontag Quasimodogeniti
(23. April) Kirchweihe gehalten ward und alter Gewonheit
nach von den Umbsassen mehrerteils besucht, das etliche
leichtfertige Knaben, uff die 200, in einem Gespräch
sich zusammen verpflichten, in Maynung, einen aygnen
Hauffen aufzurichten, versamleten sich in der Nacht
bey dem Monchhove geilweiler uff einem berg.«(1)
Auch das Ratsprotokoll der Stadt Landau, unsere zweite
zeitgenössische Quelle, berichtet von dem Ausbruch
der Unruhen in Nußdorf, »etliche persohnen«
haben sich in Nußdorf gerottet, um in »daz
closter usserstall zu fallen.«(2)
^ nach oben ^
Mit anderer Hand wurde an diesen Eintrag vom 28. April
hinzugefügt: »Bauernkrieg zu Nußdorff
angefangen«. Die Schrift ist allerdings wesentlich
jünger. Es darf davon ausgegangen werden, dass
diese Randnotiz erst entstand, als das Buch zum Zwecke
der Indizierung paginiert wurde.
Allerdings war sich der Bearbeiter über die Wichtigkeit
des Ereignisses durchaus im klaren, so dass er es mit
Randnotiz versah und in den Index aufnahm.
Am 23. April also, halten wir fest, haben sich Bauern
in Nußdorf auf der Kerwe zum Aufstand erhoben,
200 an der Zahl. Dies sollte zum Beginn des Pfälzischen
Bauernkrieges werden.
Die pfälzische Geschichtsschreibung hat dieses
Ereignis immer wieder beschrieben, in alter wie in neuerer
Literatur. Der große Pfälzer Historiker des
19. Jh., Ludwig Häusser, redet von dem Aufstandbeginn
in Nußdorf(3),
der Nußdorfer Pfarrer Johann Georg Lehmann geht
hingegen auf die Ereignisse in dem Außendorf Landaus
in seiner Stadtchronik nur recht kurz ein.(4)
1830 hatte der Stadtchronist Birnbaum sehr ausführlich
über den Aufruhr in Nußdorf berichtet. Was
er schreibt, ist aber nichts mehr als ein Paraphrase
des Harerschen Textes: »An den Ostertagen war
Kirchweihe im Dorfe. Die jungen Burschen zogen, wie
es damals üblich war, unter Trommelschlag und Pfeifenklang,
mit Schießgewehren und Hellebarden bewaffnet,
lustig im Dorfe herum, der von ihnen gewählte Rottmeister
mit dem Fahnenträger an ihrer Spitze. Nachmittags
gieng´s in die Schenke, wo getanzt und gezecht
wurde, und die Alten mit dem Glase sich von den Großthaten
ihrer Brüder jenseits des Rheins unterhielten;
wie diese nämlich die Pfaffen und Adeligen zu Paaren
trieben, Schlösser und Klöster leerten, und
in Saus und Braus lebten; indes die Jungen sich mit
Tanzen belustigten. Diese Gespräche dauerten bis
tief in die Nacht hinein, und wirkten sehr auf die von
Tanz und Wein erhitzten Köpfe der jungen Burschen,
welche sich nach und nach dazu gesellten, dass sie plötzlich
vom Freiheitsschwindel ergriffen wurden, und ihrer 200
an der Zahl, in jener Nacht noch, in das Siebeldinger
Tal fielen, die Bauern aus ihren Betten mit fortrissen,
und am Morgen, schon 500 Mann stark, den Geilweiler-Hof
besetzten.«(5)
^ nach oben ^
Eduard von Moor nennt in seiner kleinen Stadtgeschichte
Nußdorf nicht als Ausgangspunkt der Erhebung.(6)
Jakob Wackers kurzer Aufsatz in der Jubiläumsschrift
von 1960 hält sich an die Quellen des Stadtarchivs
Landau und erwähnt zum Beginn der Ereignisse nur:
»Am Sonntag Quasimodogeniti 1525 auf der Kerwe
begann der pfälzische Bauernkrieg«.(7)
Auch die neuere Literatur nennt Nußdorf.
Meinrad Schaab schreibt in seinem Grundlagenwerk über
die Kurpfalz zum Beginn des linksrheinischen Bauernkriegs.
»Die Nußdorfer Kirchweihe wurde zum Ausgangspunkt.«(8)
In Karl Mörschs Geschichte der Pfalz kommt Nußdorf
vor. Mit dem »Auftakt in Nußdorf«
beginnt seine Beschreibung der Ereignisse des Jahres
1525.(9)
Für die pfälzische Geschichtsschreibung
ließe sich dies noch fortführen. Dass im
Jahre 1525 in Nußdorf der Bauernkrieg ausgebrochen
ist, ist Allgemeingut in der Heimatgeschichte und in
der Volkskunde der Pfalz.
In überregionalen Publikationen sucht man Nußdorf
allerdings vergeblich oder findet ihn bestenfalls als
Fußnote.(10)
Auch der pfälzische
Bauernkrieg wird in der Regel nur gestreift. Und eine
umfassende Darstellung des Bauernkriegs in der Pfalz
war lange Zeit Desiderat. Sie liegt erst mit den Veröffentlichungen
von Willi Alter vor.(11)
Dieser Beitrag wird sich mit der Rolle Nußdorfs
und der Nußdorfer im Bauernkrieg beschäftigen.
Er will nicht die Allgemeingeschichte des Bauernkriegs
noch einmal erzählen.
Für andere Orte (z.B. Neustadt(12)
, Weißenburg(13)
, Pfeddersheim(14)
, Bergzabern(15)
, Siebeldingen(16)
oder Steinfeld(17)
)
liegen dergleichen Untersuchungen schon vor.
Der Beitrag versteht sich auch nicht als Nabelschau.
Aber die Ortsgeschichte und vor allem die Ortstradition
haben mitunter falsche Topoi, die scheinbar unausrottbar
sind. Diese gilt es nun kritisch zu hinterfragen.
^ nach oben ^
1. Nußdorf,
Sonntag Quasimodogeniti anno 1525
Was geschah an diesem Sonntag des Jahres 1525? Im dem
oben schon zitierten Bericht von Peter Harer wird über
die Kirchweih berichtet, ein wichtiges dörfliches
Fest, bei dem nicht nur Nußdorfer zusammenkamen.
Vielmehr hatten sich viele »Umbsassen«,
also Bewohner des Umlandes, zu dieser Festlichkeit eingefunden.
Und 200 von ihnen wollten einen »eygnen Haufen
uffrichten«.
Also 200 Männer, im waffenfähigen Alter, haben
sich zusammengerottet. Können dies alles Nußdorfer
gewesen sein – oder waren es alles »Umbsassen«?
Darüber schweigt die Quelle!
Die Nußdorfer wären, ausweislich der Bürgerlisten,
nie und nimmer in der Lage gewesen, 200 Mann zu einem
Bauernhaufen zu vereinigen.
1502 zählte man im Ort 26 Haushaltsvorstände
und im Jahre 1534 waren es 29(18)
,
also 1502 ungefähr 105 Seelen und 1534 ca. 115
Einwohner.(19)
Eindeutig zu wenig, um einen Bauernhaufen aufzurichten.
Spätere Milizlisten der Stadt Landau sollten für
Nußdorf ganze 30 waffenfähige Bürger
aufzeigen. Also muss man die Hauptbetreiber der Nußdorfer
Ereignisse bei den auswärtigen Gästen des
Festes suchen.
Und diese wollten einen »eygnen Haufen«
aufrichten. Es ist davon auszugehen, dass die Kunde
der Aufstände im Brurhein wie in Lothringen in
Nußdorf nicht unbekannt waren.
Vom »bundschuhigen geläufft« spricht
das Ratsprotokoll in Landau schon im März.(20)
Im Lande gärte es. Ob und in wie weit die Auswirkungen
der »Bundschuhbewegung« des Joß Fritz
von 1493 (in Schlettstatt) und 1502 (im Hochstift Speyer)
Einfluss auf die Pfälzer Ereignisse nahm, ist nicht
nachzuvollziehen.
^ nach oben ^
Es darf aber davon ausgegangen werden, dass die Bundschuhbewegung
die Ereignisse in der Pfalz vorbereitete.(21)
Der Boden war also bereitet. Ich will hier nicht auf
die Programmatik der aufständischen Bauern in anderen
Gegenden eingehen, was wir über die Forderungen
der Pfälzer Bauern wissen, soll bei der Darstellung
des Vertrages von Forst genannt werden.
Wo aber hatten sich die Aufrührer verabredet.
Immer wieder wurde das heutige Bauernkriegshaus in Nußdorf
als der Ort lokalisiert, in dem die Bauern sich zusammenrotteten.
Das Untergeschoss des Hauses stammt tatsächlich
aus dieser Zeit. Eine Inschriftentafel erinnert an den
Besitzer des Gebäudes: Hans Hol.(22)
Hans Hol taucht 1502 in einer Einwohnerliste des Ortes
auf.(23)
Nach dem Bauernkrieg wird er nochmals aufgeführt,
als Gerichtsschöffe.(24)
Er
war also Mitglied des Nußdorfer Dorfgerichts und
damit zur dörflichen Oberschicht zugehörig.
Es ist eher unwahrscheinlich, dass er sein Haus für
eine Zusammenrottung zur Verfügung stellte. Und
wäre er gar einer der Anführer gewesen, so
wäre er mit einiger Sicherheit zumindest seiner
Stellung gegenüber der Stadt Landau verlustig geworden.
Die Rottung fand also nicht in seinem Haus statt, sondern
dort, wo sich auf der Kerwe seit jeher die Menschen
versammelten: Auf dem Kirchplatz.
Die »Umbsassen«, also sicherlich auch Landauer
Bürger und Untertanen anderer Herrschaften, zogen
nun, 200 Mann, stark zu dem Hofgut Geilweiler, zwischen
Frankweiler und Siebeldingen gelegen und dem Zisterzienserkloster
Eußerthal zugehörig, und lagerten dort in
der Nähe auf einem Berg.
Sie rissen die Bewohner des Umlandes aus den Betten.
»Die bawren uff iren betten uffgehoben und dann
zu einen geloben, auch mitzuziehen«, berichtet
der Chronist.(25)
Hatte der »Nußdorfer Haufen« sich
nun gebildet, wie in der Literatur zu lesen steht? Geht
man von dem Ort der »Rottung« aus, so kann
diesem zugestimmt werden. Wollen wir aber die Bauernhaufen
nach ihren Angehörigen nennen, so ist dieser Begriff
wohl fehldeutig. Wie schon erwähnt, allzu viele
Nußdorfer können nicht dabei gewesen sein!
^ nach oben ^
»Welcher örtlichen wie herrschaftlichen
Zugehörigkeit die ersten 200 Verschworenen im einzelnen
waren, lässt sich nicht mehr feststellen. Wir tun
gut daran, in ihnen vorwiegend Leute aus den Nachbarorten
zu vermuten«, schreibt Alter zu Recht.(26)
Diese Bauern verstärkten sich nun durch Godramsteiner
und Siebeldinger Einwohner. Kurpfälzer, speyerische,
zweibrückische und Dahner Untertanen waren betroffen.(27)
Die Hauptbeteiligen schienen aber kurpfälzer Untertanen
des Siebeldinger Tals gewesen zu sein. Dies riefen den
Vogt Jakob von Fleckenstein, kürpfälzischen
Amtmann in Germersheim, auf den Plan.
Noch in dieser Nacht des 23. auf den 24. April gelang
es dem Fleckensteiner, die Bauern zu zerstreuen, ohne
dass es zu Gewalttätigkeiten gekommen war.
Am 28. April ermahnte auch die Stadt Landau ihre Untertanen,
nicht mit dem Bauernhaufen zu ziehen.(28)
Eine Woche herrschte Ruhe. Am 30. April brach der Aufruhr
aber wieder los. Wo sich die Bauern wieder zusammenrotteten,
ist nicht überliefert.
Nun begann die Plünderungen: »Die fielen
in Stift Clingenmunster, desgleichen ins Closter Herde,
ins Johanserhaus Heynbach und den Munchshove Mechtersheim,
namen Korn, Wein, Vihe und Essenspeys daraus und lebten
im Sauß«.(29)
Wir kennen einige Beteiligten an diesen Aktionen. So
wurden die Bürger von Pleisweiler nach dem Bauernkrieg
mit einem Strafgeld belegt.(30)
Das Ziel waren kirchliche Niederlassung.
Will man hier wieder von einem Nußdorfer Haufen
sprechen?
Waren Nußdorfer an der Aktion beteiligt?
Landauer in jedem Fall! Denn die Stadt musste sich wegen
der entstandenen Schäden mit dem Probst von Hördt
und dem Ordenskomtur von Heimbach vergleichen. Von »viehe
und weyne« ist die Rede.(31)
^ nach oben ^
2. Der 5. Mai, »Der
Geilweiler Haufe als eine Neuversammlung der Nußdorfer«(32)
»Im selbigen, als der Kolbenhaufe, wie obgeschrieben,
den Flecken Annweiler ingenommen, da han sich die Bauern
aus Newkastler, Magdenburger, Kirbweiler Ampten und
Sibeltinger Tal zusamengeton und versamlet (...).«(33)
Harer nennt uns die Verschworenen genau. Amtsuntertanen
des zweibrückischen Amtes Neukastel, der hochstiftisch-speyerischen
Ämter Madenburg und Kirrweiler und die kurpfälzischen
Untertanen des Siebeldinger Tals.
Ort und ein Teil der Beteiligten waren identisch mit
denen am 23. April, aber hier nun ein Kopie des Nußdorfer
Haufens sehen zu wollen, geht vielleicht doch zu weit.
Allerdings nennt Alter den Haufen nun den »Geilweiler
Haufen«, wieder nach dem Ort der Rottung.
Trotzdem ist seine Aussage: »In diesem ´Geilweiler
Haufen` dürfen wir eine Fortsetzung des vorangegangenen
´Nußdorfer Haufen´ sehen, da wir davon
ausgehen können, dass es sich die anfänglichen
Aufständischen beteiligten und deren Kern ausmachten«(34),
kaum zu beweisen.
Eines der bekanntesten Opfer dieser zweiten Zerstörungswelle
war das Kloster Eußerthal, denn dieses gilt ja
immer wieder als das Opfer der Nußdorfer.
Bei dem Eußerthaler Klosterspiel zum Klosterjubiläum
1998 wurde es uns vor Augen geführt – die
Nußdorfer eroberten und zerstörten das Kloster!
Oder wer hat nun das Kloster Eußerthal zerstört?
Die Zerstörung des Klosters Eußerthal wird
in der Ortstradition als Werk der Nußdorfer Bauern
gleich nach dem 23. April 1525 gesehen.
Allerdings schreibt Jakob Wacker in der Schrift zur
1000-Jahrfeier nichts von einer Beteiligung der Nußdorfer
an der Zerstörung Eußerthals – und
er scheint recht zu haben.(35)
Peter Harer berichtet: »(...) desgleichen das
Closter Eußerstal geplundert, zerrissen und alle
Ding verwust hetten (...)«(36)
und schreibt dies dem Geilweiler Haufen zu, der sich
Anfang Mai zusammengefunden hatte.
^ nach oben ^
Er gilt, wie gesagt, als Nachfolger des Nußdorfer
Haufens vom 23. April. Aber war der Geilweiler Haufen
tatsächlich bei der Plünderung von Eußerthal
beteiligt? Oder irrt sich auch der Stadtchronist Landaus,
wenn er schreibt, dass etliche Personen eidbrüchig
geworden waren, um »in daz closter Usserstall
zu fallen.«(37)
Neuere Forschungen ordnen diese Tat dem Kolbenhaufen
zu: »Wir dürfen den Überfall auf das
Kloster Eußerthal in der Hauptsache dem Kolbenhaufen
zuschreiben, wenngleich Harer hierfür den Geilweiler
Haufen verantwortlich machte,« bemerkte W. Alter.(38)
Der Kolbenhaufen(39)
, verstärkt durch Bauern aus der Herrschaft Falkenburg,
der pfalz-zweibrückischen Vogtei Annweiler und
aus dem Siebeldinger Tal waren wohl die Urheber.
Falkenburger Bauern mußten nach dem Bauernkrieg
Schadensersatz leisten, den der Abt Wiegand bei dem
Grafen von Leiningen als Mitbesitzer der Herrschaft
Falkenburg eingefordert hatte.(40)
Ebenso zahlte die Vogtei Annweiler Gelder für
die Verwüstungen durch Pfalz-Zweibrücker Untertanen.
Die Annweilerer Stadtrechnung weist einen Betrag aus,
der an das Kloster als Wiedergutmachung floss.(41)
Und in der Stadt Landau wurde Plündergut von Bauern
aus dem Siebeldinger Tal angeboten.
Spricht man dem Kolbenhaufen die Hauptschuld an der
Zerstörung des Klosters Eußerthal zu, so
ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass der schon
zerstörte Konvent von Teilen der Geilweilerer noch
einmal heimgesucht wurde. Denn im Ratsprotokoll der
Stadt Landau ist, wie schon erwähnt, exakt vermerkt,
dass Bewohner des Umlandes »in das closter ussersthal«
gefallen sind – und dies waren wohl nicht Männer
des Kolbenhaufens.
Aber diese hält auch der Abt selbst für schuldig:
»Schedenn, dem gotzhuß Ußerthall durch
die aoffrurrische buwernschafft zugefügt vom kolbenhauffen
unnd nemlichen dz falckenburger ampt mit iren hilffers
hilfern.«(42)
Bei letzteren wird es sich wohl um die Geilweilerer
gehandelt haben. Die Schadenestimation des Klosters
listet alle Zerstörungen auf, die Falkenburger
Untertanen, verstärkt durch Annweilerer und Neukasteller
Vogteiuntertanen, angerichtet hatten.
In Landau kam Plündergut zum Verkauf. Und aller
Wahrscheinlichkeit waren Landauer Bürger Ankäufer,
mglw. auch Beteiligte an der Plünderung von Eußerthal.
Wenn Alter recht hat, kamen sie aber zu spät –
und konnten nur das, was der Kolbenhaufen schon zerstört
hatte, noch einmal durchwühlen.
^ nach oben ^
Die Verkäufer waren keine Landauer Bürger,
vielmehr Bauern aus Siebeldingen, Eußerthal, Ramberg,
Hochstadt, Mörlheim und anderen Orten.(43)
Wenn Nußdorfer auch Plündergut aus Eußerthal
feilgeboten hätten, warum sollte der Stadtschreiber
dies nicht vermerkt haben? Nußdorf war ein Außendorf
der Stadt und unterstand deren Gerichtsbarkeit.
Die ersten Übergriffe der Bauern richteten sich
gegen kirchliches Gut; Burgen wurden erst am Anfang
Mai zum Ziel der Bauernrevolte.
Die erste war Böchingen. Die Burg war die erste
Burganlage, die dem zweiten Geilweilerer Haufen zum
Opfer fiel. Über dieses Aufgebot haben wir schon
gehört, Nußdorfer oder Landauer sind unter
den Bauern nicht erwähnt.
Möglicherweise war sie die erste Burg überhaupt,
die von Pfälzer Bauern zerstört worden war.
W. Alter schreibt: »Wir stehen vor einem Novum
bei den Aktionen der pfälzischen Bauern.
Ein Adliger wurde heimgesucht und stark geschädigt.
Neben dem geistlichen Gut vergriffen sich die Aufständigen
nun auch am adeligen.«(44)
Bei seinem ersten Zug nach dem 23. April hatte der
Nußdorfer Haufen, behelfen wir uns des Konstrukts,
vornehmlich Kirchengut geplündert.
Bei der zweiten »Rottung« des Geilweilerhaufens
nach dem 5. Mai 1525 griffen die Bauernrotten aber auch
Burgen an.
Die Zerstörung der Burg in Böchingen nennt
auch Harer: »(...) sein sie von dannen gehen Bechingen
gezogen, Rudolffen von Zeißkeim zugehorig, dem
sie in sein Schloß gefallen, und da sie es sauber
geplundert, vil guts darin befunden.«(45)
^ nach oben ^
Die Zerstörung der Burg wird den Nußdorfern
zugeschrieben. Allerdings mußte der Herzog von
Pfalz-Zweibrücken dem Junker Rudolf von Zeiskam
wegen Unbewohnbarkeit der Böchinger Burg einen
Turm in der Stadtmauer in Annweiler zur Wohnung herrichten,
wofür die Einwohner der Stadt fronen mußten.(46)
Dies geschah, weil Kleeburger Bauern, Untertanen von
Pfalz-Zweibrücken, sich an der Zerstörung
und Plünderung beteiligt haben. Damit ist erwiesen,
dass nicht nur der Kolbenhaufe, sondern auch der Kleeburger
in unserem Gebiet herumzog.(47)
Also waren es nicht nur Nußdorfer, denn der sog.
Geilweiler Haufen, in dem sich ja die Nußdorfer
befunden haben sollen, bestand aus Bauern verschiedener
Herrschaften.
Der Geilweiler Haufen, der häufig eine Forstsetzung
des Nußdorfers genannt wird, zog weiter nach Norden
und zerstörte die Kropsburg, das Zisterzienserinnenkloster
Heilsbruck in Edenkoben, verbrannten die Burg in Edesheim,
die Kästenburg und die Kirrweilerer Burgen.
Auf ihrem weiteren Zug nach Norden vereinigten sich
die Bauern, die sich zum ersten Mal am 23. April in
Nußdorf dem Aufruhr angeschlossen hatten, mit
dem großen Bauernheer in Forst, das am 10. Mai
mit dem Kurfürsten den Vertrag von Forst abschloss.
^ nach oben ^
3. Die Zerstörung
von Burgen
Immer wieder werden die Nußdorfer mit der Zerstörung
der Burgen Madenburg und Scharfeneck in Verbindung gebracht.
Was den Überfall auf die Madenburg betrifft, sind
sie vollkommen freizusprechen.
Über die Zerstörung der Burg schreibt der
Chronist Peter Harer: »(...) han sie sich andermals
zu Merleim versamblet und daselbst etliche Tag, bis
sie sich wol gesterkt hetten, gelegen, seind darnach,
wie volgends gemelt wurde, gezogen und mit der Tat gehandelt,
und wiewol die speirischen von dem Brurhein irs Heren
Schloß Madenburg, obwendig gelegen, zur Verwarung
ingenommen, han sich die Bauern doch von obgemelten
Haufen hineingeton und in Boden ausgeprent«.(48)
Frey beschreibt die Zerstörung: »Der Bischof
hatte zwar eine beträchtliche Rotte Bauern aus
dem Oberamt Lauterburg, wohin das Amt Madenburg zählte,
hierher beordert; allein ihr Hauptmann Niklas Wynstall
verrieth mit seinen Mannen seines Herren Schloß,
ließ die Aufrührer, bei ihrem Erscheinen
vor den Thoren, in dieselben ein, und nun ergoß
sich der bunte Haufen durch Keller und Gemächer,
raubte, soff, jubelte, warf Feuer in die Burg, überließ
sie den verheerenden Flammen, und zog weiter, um fernere
Unthaten zu verüben.«(49)
Ähnlich schildert J.G. Lehmann 1857 das Geschehen:
»Kaum waren die empörten Aufrührer den
steilen Berg hinangestürmt und vor den Burgthoren
erschienen, so ließ sie der Hauptmann Nicolaus
Wynstall auf die erste Aufforderung hin, ohne die geringste
Gegenwehr, sogleich in dieselbe einziehen und verrieth
so die Festung seines Herren an die entfesselte Menge.
Diese schwärmte nun durch die Gemächer und
Keller, raubte alles Vorfindliche, ließ sich den
Wein gut schmecken, soff und jubelte, zündete dann
die alte Veste aller Ecken an, verwandelte sie in einen
leeren ausgebrannten Steinhaufen und zog hernach weiter
auf neuen Raub.«(50)
^ nach oben ^
Die Madenburg hatte also eine Besatzung, die aus einer
Miliztruppe bestand, die aus Bauern rekrutiert war.
Ihre »Verteidigung« war somit einer der
wenigen Versuche, Bauern gegen Bauern zu stellen.
Am 8. Mai zog das Lauterburger Aufgebot nach Udenheim
(heute Philippsburg), um sich dort zu stellen, aber
auch, um mit dem Bischof über die Forderungen der
Bauern zu verhandeln.
Teile des Lauterburger Aufgebots begaben sich auch zu
dem am selben Tag bei dem Geilweiler Hof versammelten
Bauernhaufen, um ihn von Übergriffen auf speyerisches
Gebiet abzuhalten, allerdings ohne Erfolg.
Ein Teil des bischöflichen Aufgebots, dass gesamt
400 Mann stark gewesen sein soll, wurde am 11. Mai unter
dem Kommando des Niklas Wynstall, des Schultheißen
von Lauterburg, als Besatzung in die Burg gelegt. »Doch
schon gleich änderte sich die Situation.
Es marschierten Bauern anderer Haufen vor der Madenburg
auf und verlangten Einlas. Die Lauterburger wehrten
sich nicht, sondern öffneten freiwillig die Tore
und verbrüderten sich mit ihren Genossen. Die Burg
wurde aus- und niedergebrannt.«(51)
Die Burg wurde wohl am 17. Mai zerstört, möglicherweise
von dem sogenannten Mörlheimer Haufen, der sich
am Vortag im Eußerthaler Hof in Mörlheim
versammelt hatte. Die auf der Burg gelegenen Bauern
vereinigten sich nach der Zerstörung der Burg mit
jenen, die sie eigentlich von der Einnahme der Madenburg
hätten abhalten sollen.
»Der Versuch schlug völlig fehl, Bauern
gegen Bauern in den Kampf zu schicken.«(52)
Nach der Niederschlagung des Aufstandes belegte der
Bischof die Bauern des Amtes Lauterburg mit einem Strafgeld,
zudem mußten sie beim Wiederaufbau der Madenburg
frönen.
Auch Untertanen des Bischofs aus dem Amt Madenburg
(Eschbach, Arzheim, Ranschbach, Waldhambach und Waldrohrbach)
hatten sich an dem Aufstand beteiligt.
Außer Strafgeldern, die an den Landesherren zu
zahlen waren, war eine Huldigung zu leisten. Am 18.
August 1525 mußten die bischöflichen Untertanen
in Edesheim den Untertaneneid erneuern.
^ nach oben ^
Auch hier zeigen sich die Probleme der Benennung. Die
Mörlheimer sollen es gewesen sein. Die Bauern hatten
sich tatsächlich »zu Merlheim versamblet«(53)
. Aber waren es Mörlheimer. Sicherlich nicht! Genauso
wenig wie der Nußdorfer Haufen vom 23. April aus
nur Nußdorfern bestanden hatte.
Eine Beteiligung der Nußdorfer Bauern an der
Zerstörung ihrer ehemaligen Zwingburg ist nicht
nachweisbar.
Wie verhält es sich aber mit der Burg Neuscharfeneck,
die bis heute als ein Opfer der Nußdorfer Bauern
gilt? Die Besitzer der Burg, die Grafen von Löwenstein-Scharfeneck,
hatten ein Hofgut in Nußdorf.
Der Chronist schreibt über Neuscharfeneck: »Demselbigen
nach namen sie Scharpffeneck, der Graven von Lewenstein
Schloß, in und nach besehener Plunderung pranten
sie es aus (...).«(54)
Dies geschah als Aktion des sog. Unteren Haufens wahrscheinlich
um den 14. Mai 1525 herum.
Zuvor, schon Mitte April, hatte der Burghauptmann sich
in Landau mit Pulver für die Geschütze der
Burg versehen wollen. Die Stadt lieferte ihm zwei Tonnen
Pulver.(55)
Trotzdem war eine der am stärksten befestigten
Burgen der Pfalz nicht in der Lage, einem Angriff der
Bauern zu begegnen. Die Geschütze in der nach 1464
erbauten Schildmauer, insgesamt zehn; standen in der
Burg, waren somit wertlos. Die Schildmauer selbst zählt
zu den mächtigsten ihrer Art in Süddeutschland.
Aber die Kanonen waren wohl nicht ausreichend bemannt
und konnten nicht eingesetzt werden.(56)
Die Geschichte der Einnahme der Burg wurde von Emil
Heuser im Jahre 1925 so erzählt: »Der zaghafte
Schlosshauptmann war, bevor noch die Bauern an die Burg
herangerückt waren, ins Bauernlager bei Frankweiler
gelaufen und hatte dort den Bauern gegen das Zugeständnis,
dass er mit seiner Familie nebst persönlicher Habe
frei abziehen könne, die Übergabe der außerordentlich
starken Burg angeboten, nur sollten sie versprechen,
dass die Burg nicht gebrochen und nicht angezündet
werde.
Damit waren die Bauern einverstanden. Der Schlosshauptmann
zog mit seinen Leuten aus, der Bauernhaufe dafür
ein. (...) Sie brannten trotz ihres Versprechens das
Schloss ganz aus.«(57)
^ nach oben ^
Warum die Bauern trotz des Versprechens die Burg anzündeten,
hatte J.G. Lehmann schon 1857 beschrieben: »Da
nämlich die Menge über eine schmale hölzerne
Brücke nach einem Thurme eilte, fiel ein, vermuthlich
benebelter Bauer im Gedränge von derselben in die
Tiefe des Grabens hinab, der sich sogleich wieder unversehrt
vom Boden aufraffte und wohlbehalten davon lief.
Bei diesem Anblick schrie das verblendete, aufgeregte
Volk einstimmig: Wunder über Wunder! Denn sie sahen
diesen Zufall als eine gute Vorbedeutung ihres, vom
Himmel so sichtbar begünstigten, Unternehmens an
und geriethen dadurch in solche Begeisterung, dass sie,
wortbrüchig und ihrer gegebenen Zusage vergessend,
unsere Neu-Scharfeneck in Brand steckten und, nebst
vielem darin aufbewahrtem Getraide und wichtigen Urkunden,
bis auf die nackten Mauern zerstörten (...).«(58)
Der Burghauptmann soll nach Lehmann den Namen Gibelin
oder Gibelinius getragen haben.
Neuscharfeneck wurde, wie eine Urkunde belegt, definitiv
»im purischen uffrure«(59)
zerstört und bis 1530 wieder aufgebaut und erweitert.
Der Wiederaufbau geschah allerdings mit Verzögerung,
was auf massive Zerstörungen an der Bausubstanz
hinweist. Bauern aus den beim Aufstand beteiligten Orten
mußten für die Burgbesitzer frönen.
Hatten die Nußdorfer Bauern einen Grund, dem Besitzer
der Burg zu grollen?
Es war sicherlich nicht der doch recht kleine Besitz
der Löwenstein-Scharfenecker in Nußdorf,
der sie in Rage brachte.
Vielmehr wurde immer wieder darüber spekuliert,
ob der Eingriff in die Geraidegerechtigkeit der Genossen
der Grund für den Angriff auf die Burg war.
Direkte Verbindungen bestanden nicht, denn die Burg
Neuscharfeneck lag in der Zweiten Mittelhaingeraide,
zu der Walsheim, Roschbach, Flemlingen, Böchingen,
Burrweiler, Gleisweiler, Ramberg und Dernbach gehörten.
Nußdorf gehörte zur Oberen Haingeraide,
zu der auch Eußerthal gehörte. Also wären
Streitigkeiten um Waldnutzungsrechte eher ein Grund
für den Hader mit dem Kloster Eußerthal,
nicht aber für einen Angriff auf Neuscharfeneck.(60)
^ nach oben ^
Wohl lagen die Herren von Scharfeneck, die ab 1540 auch
Herren der Ramburg waren, in ständigem Streit mit
den Markgenossen, über die sie die Vogteirechte
ausübten, aber Nußdorfer Gerechtsame waren
hiervon nicht betroffen.(61)
Und wenn in der schon erwähnten Urkunde von Fronleistungen
für den Wiederaufbau der Burg die Rede ist, so
dürfte sich dies auf Nußdorfer Haingeraidegenossen
wohl nicht bezogen haben.
Der Graf Friedrich von Löwenstein hatte wohl im
Löwensteiner Hof in Landau während des Aufstandes
Zuflucht gesucht.
Von dort aus schickte er Bewaffnete aus, um Männern
habhaft zu werden, die am Bauernkrieg beteiligt waren.
Im Juli, als kurz nach dem Ende des Bauernkriegs, ließ
er einen gewissen Arbogast Pur aus Dernbach suchen.(62)
Späterhin sollte bei den gesuchten Anführern
sich auch ein Jost aus Dernbach befinden.(63)
1529 einigte sich die Grafen von Leiningen-Dagsburg
mit den Löwensteiner über die Zahlung von
50 Gulden wegen der Zerstörungen an der Burg. Somit
waren Falkenburger an dem Niederbrennen der Burg beteiligt.
Vor allem klagte Graf Friedrich über den Verlust
von Hausrat.
Nun ist die Frage nach der Beteiligung der Nußdorfer
Bürger an der Zerstörung von Burgen immer
noch nicht geklärt. Definitiv ohne den Schatten
eines Zweifels nachweisen, um einen Terminus des modernen
Strafverfahrens zu verwenden, kann man den Nußdorfern
nichts.
^ nach oben ^
4. Wofür sie kämpften!
Die Bauernhaufen, die seit dem 23. April
1525 in verschiedenen Zusammensetzungen durch die Pfalz
zogen, Klöster, kirchliche Niederlassungen und
Burgen zerstörten und plünderten, kamen nicht
alle aus der Pfalz.
Die Kleeburger hatten sich am 23. April
südlich von Weißenburg, der Kolbenhaufen
um den 30. April bei dem Kloster Stürzelbronn zusammengefunden;
von Nußdorf nahm die südpfälzische Bewegung
am 23. April ihren Ausgang, um am 30. April bei dem
Geilweiler Hof erneut zu beginnen.
Der Kolbenhaufen zog durch die Pfalz,
Kleeburger finden sich in Steinfeld, Minfeld und anderen
pfälzischen Orten an der Lauter.
Am 29. April bildet sich unabhängig, aber wohl
in Kenntnis der Ereignisse in der Südpfalz eine
Woche zuvor, der Bockenheimer Haufen.
Es soll hier nicht auf die einzelnen Züge
der Bauernhaufen eingegangen werden. Aber ich denke
hier feststellen zu müssen, dass der Begriff eines
pfälzischen Bauernkriegs irreführend ist –
es ist vielmehr von einem pfälzisch-elsässischem
Bauernkrieg zu sprechen(64),
vor allem durch das Übergreifen der Elsässer
Bauernhaufen auf die Pfalz.
Es ist daher schwer, die Programmatik
der aufrührerischen Bauernschaft zu rekonstruieren.
Sicherlich waren die Forderungen des speyerischen Bundschuh
von 1502 in der Pfalz nicht unbekannt (65),
ebenso kann davon ausgegangen werden, dass auch die
»Zwölf Artikel« der Bauern in Schwaben
ihren Weg in die Pfalz gefunden hatten.(66)
Da der Vertragstext von Forst verloren
ist, werden sich die Details der Forderungen der Bauern
der Pfalz nicht mehr rekonstruieren lassen. Es gibt
aber Hinweise! Die beiden Bauernhaufen – der Obere
Haufen, der von Nußdorf und später Geilweiler
seinen Ausgang nahm, und der Untere Haufen, der Bockenheimer,
trafen am 10. Mai 1525 mit dem Kurfürsten Ludwig
V. von der Pfalz.
Beide Seiten schienen an einer Schlichtung interessiert.
Die Neustadter Bürger, die mit den Bauern gemeinsame
Sache machten, sicherten dem Kurfürsten und den
30 ihn begleitenden Räten freies Geleit zu. Am
10. Mai trafen sich die Parteien in Forst.
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Die Bauern nutzten die Gelegenheit zu
einer Machtdemonstration. Bis zu 8000 Mann, mit Fahnen
und Waffen, sollten vor dem Kurfürst aufmarschiert
sein. Der Vertrag kam dann auch zustande.
Aber der Text ist nicht überliefert.
Aber der Kurfürst ließ in Erwartung
eines ausgeschriebenen Landtages zwei Gutachten erstellen,
von Philipp Melanchthon und von Johannes Brenz, in denen
die Forderungen der Bauern dann in versteckter Form
vorkommen.
Denn die beiden Männer gaben ihre Stellungnahme
zu diesen Forderungen ab. Zwar lehnten sie den Aufruhr
generell ab, gingen aber auch auf die konkreten Forderungen
ein:
- Die Pfarrer sollten von der Gemeinde und vom Fürsten
gewählt werden und nur das Evangelium predigen.
- Abschaffung des Großen Zehnten.
- Abschaffung der Leibeigenschaft und der damit verbundenen
Abgaben wie Besthaupt und Buteil.
- Freie Jagd in den Wäldern.
- Wiederherstellung der dörflichen Allmende.
- Moderater Umgang mit den Fronden.
- Gemäßigte Zinsen.
Diese Inhalte hatten ihre Vorläufer im Bundschuh,
aber auch im Armen Konrad in Württemberg. Vorbild
waren die »Zwölf Artikel« der schwäbischen
Bauern, um den 1. März 1525 verfasst und weit verbreitet.
Neben der Wahl der Pfarrer forderten die
Bauern auch die Lehre gemäß dem Evangelium,
wehrten sich gegen Neuerungen im Recht (hier vor allem
gegen die Einführung des Römischen Rechts),
forderten eine Rücknahme von Steuern (Ungeld, Zehnt)
und Leistungen (Frondienste) oder zumindest deren Verminderung
und forderte die alten bäuerlichen Rechte wieder
ein (Fisch- und Jagd, Allemendrechte).
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Man wandte sich auch gegen die immer
stärker werdende Leibeigenschaft. Diese Forderungen
sind wohl auch die wesentlichsten Punkte des Vertrages
von Forst. »Viertens ist festzustellen, dass die
pfälzischen Bauern keine eigenen Programme erstellt
haben; jedenfalls findet sich nirgends ein Hinweis darauf.
Sie übernahmen allerdings (...) die
Zwölf Artikel der schwäbischen Bauern...«(67)
Beide
Teile allerdings hielten ihre Zusagen nicht ein.
Die Bauern zerstreuten sich nicht oder
nur zum Teil, der Landtag wurde nicht einberufen. Allerdings
hätte der Vertrag von Forst den Aufstand unblutig
beenden können. »Wären die Zusagen von
beiden Seiten eingehalten worden, hätten die Forster
Abmachung die entscheidende Wende im pfälzischen
Bauernkrieg bringen können. Doch es sollte anders
kommen.«(68)
Der Aufruhr ging noch einen Monat weiter!
Der Bockenheimer und der Nußdorfer Haufen trennten
sich und zogen nach Norden resp. Süden. Am 20.
Mai kam es zu einer Neuversammlung bei Mörlheim,
von da aus wurde u.a. die Madenburg zerstört, wie
schon erwähnt.
Am 4. Juni versammelten sich die Bauern wieder bei Neustadt
und griffen von dort aus Burgen und Schlösser an.
Am 23. und 24. Juni 1525 besiegten der Kurfürst
und seine Verbündeten die Bauern bei Pfeddersheim
entscheidend.
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5. Die Bestrafung –
oder waren Nußdorfer am Bauernkrieg beteiligt?
Kann man von einem »Nußdorfer
Haufen« sprechen? Wenn man den Ort der »Rottung«
zugrundelegt, dann sicherlich.
Somit hatte sich der Nußdorfer Haufen am 23. April
1525 gebildet, bei Geilweiler versammelt und sich recht
schnell wieder aufgelöst.
Die Neuversammlung bei dem Geilweiler Hof am 5. Mai
bildete den Geilweiler Haufen, als Neuversammlung der
Nußdorfer.(69)
Hier schon muss eingehakt werden. Denn
waren es die Nußdorfer, also Nußdorfer Bauern?
Ich habe schon eingangs dargelegt, dass die 200 Aufrührer,
die sich dann in der Nacht vom 23. auf den 24. April
auf 500 Mann verstärkten, nicht nur Nußdorfer
gewesen sein konnten.
Vielmehr werden Nußdorfer nicht genannt. Wie kann
man aber nun feststellen, ob Nußdorfer am Aufruhr
oder an der Schlacht bei Pfeddersheim beteiligt gewesen
waren? Unsere einzige Quelle hierfür sind die Ratsprotokolle
der Stadt Landau, die sich ja mit den Vorgängen
in ihrem Außendorf beschäftigen mussten.
Nicht nur die Außendörfer Nußdorf,
Dammheim und Queichheim waren von Aufruhr betroffen,
sondern auch Bürger von Landau selbst. Aber der
Rat verhielt sich sehr ambivalent.
Zwar unternahm er Maßnahmen, Ruhe und Ordnung
in der Stadt zu bewahren, gleichzeitig aber scheute
er sich eindeutig vor einem zu harten und stringenten
Vorgehen. Er konnte aber Aktionen der Außendörfer
nicht vermeiden. So waren wohl Bürger der Stadt
an der Zerstörung von Klostergut während des
ersten Zuges beteiligt.
Einen Monat nach Pfeddersheim kam man
zu Übereinkunft darüber, dass die Stadt die
Schäden, die ihre Bürger dem Propst zu Hördt
und dem Ordenkomtur von Heimbach zugefügt hatten.(70)
Will man den »Nußdorfer Haufen«
vom 23. April hierfür verantwortlich machen, so
ist dies durchaus zulässig. Denn der Anstoß
zu diesem ersten Zug kam aus Nußdorf. Ebenso hatten
die Bauern der Außendörfer sich an der Entschädigung
für den Junker Schliederer zu beteiligen, dessen
Gut in Deidesheim beschädigt worden war.(71)
Diese Aktion muss kurz nach dem Vertrag von Forst, also
im nach dem 10. Mai stattgefunden haben, und belegt,
dass Bauern der Außendörfer an dem Zug nach
Forst und den Plünderungen danach beteiligt gewesen
waren.
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Trotz der Beteiligung der Außendörfer
und Sympathien für die Bauernsache blieb es in
Landau weitgehend ruhig. Aus dem Ratsprotokoll vom 28.
April geht eindeutig hervor, dass die Stadt mit den
Bauern keine gemeinsame Sache machen würde.(72)
Die Stadttore wurden besonders gesichert,
die Wachen verstärkt, der Verkauf von Pulver verboten.
Übergriffe auf die Geistlichkeit in der Stadt konnten
nicht ganz verhindert, aber in Grenzen gehalten werden.
Auch mussten die Stadtväter, als die Bauern Ende
Mai in Mörlheim lagerten, einer Abgabe von Wein
und Früchten, die die Klöster Hornbach, Eußerthal,
Hördt und Klingenmünster in die Stadt gebracht
hatten, dulden.(73)
Nach dem Wegzug des Mörlheimer Haufens Ende Mai,
aber noch vor der Schlacht von Pfeddersheim vom 23./24.
Juni, traf man in Landau Maßnahmen. Man befürchtete
wohl eine Niederlage der Bauernsache, da ein kurpfälzisches
Heer im Anmarsch war.
Nach der Schlacht versuchte man zum einen einen Zuzug
flüchtiger Bauern hinter die Mauern der Stadt zu
verhindern, gleichzeitig aber auch die Bestrafung der
beteiligten Bürger vorzubereiten.(74)
Der Zug des Kurfürsten durch die
Pfalz und die Bestrafung der kurpfälzischen Städte
Pfeddersheim, Freinsheim und Neustadt, hatten gezeigt,
dass es dem Kurfürsten mit seiner Strafaktion ernst
war. Nun befürchtet man in Landau, dass der Kurfürst
der Stadt anlasten könnte, an Übergriffen
auf kurpfälzischen Besitz, die ja im Umfeld der
Stadt tatsächlich stattfanden, beteiligt gewesen
zu sein.
Ähnlich war später die Begründung für
die Belagerung Weißenburgs formuliert. Der Landauer
Magistrat lieferte Untertanen ebenso aus, wie er gegen
Bürger der Stadt vorging, die mit den Bauern gemeinsame
Sache gemacht hatten.
Am 2. Juli traf das Heer des Kurfürsten
vor der Stadt ein. Der Fürst selbst nahm Quartier
in Godramstein, legte seine Truppen aber in die Dörfer,
auch Fußknechte nach Nußdorf, die von den
Landauern mit Wein bewirtet wurden.(75)
Am 4. Juli zog das fürstliche Heer
weiter. Der Kurfürst hatte nichts gegen die Stadt
unternommen, wohl weil er ihre Beteiligung am Bauernkrieg
für marginal ansah. »Falls Kurpfalz in ihrem
Gut oder recht geschädigt worden wäre, hätte
der Kurfürst wohl kaum gezögert, eine Strafaktion
gegen Landau zu starten.«(76)
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Suchen wir nach den Beteiligten.
Die Stadt Landau wäre aufgrund ihrer Rechtsstellung
gegenüber Nußdorf berechtigt gewesen, ein
Strafgericht über das Dorf hereinbrechen zu lassen,
denn sie übte die Hochgerichtsbarkeit aus. Dem
war aber nicht so!
Wieder ein Indiz dafür, dass die
Beteiligung von Nußdorfern nicht über Gebühr
ausgedehnt war.
Auch hätte der Kurfürst seine Eigenleute im
Dorf zur Rechenschaft ziehen können, wie es z.B.
in Minfeld geschah. Auch hiervon ist nichts verlautet
worden. Alter schreibt: »Am 14. Juli 1525 wurde
mit Strafmaßnahmen gegen die Bürger begonnen,
die sich bereits in Nußdorf den Bauern angeschlossen
hatten.«(77)
Hans von Bebingen und Jost von Dernbach
wurden gefangengesetzt, »mit dem thurm gestrafft.«(78)
In den Namenslisten von Nußdorf
aus der Zeit vor und nach dem Bauernkrieg tauchen beide
nicht auf. Allerdings findet sich ein Hansen von Bechingen
1554 bei einer Renovation des Löwensteiner Hofguts
in Nußdorf.(79)
Auch bei Jost von Dernbach verweist die
Herkunft ins Löwensteinische. Hans von Bebingen
war aber in Landau ansässig.
Beide wurden am 28. Juli gegen Schwören der Urfehde
aus der Stadt gewiesen, die Frauen folgten ihnen nach.
Wenn es sich bei Hans von Bebingen um eine Verschreibung
handelt, könnte der 1554 genannte Hans von Bechingen
der einzige Beteiligte sein, der auf Nußdorf verweist,
dies aber mit der gebotenen Vorsicht betrachtet.
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Ebenfalls am 28. Juli wurden weitere Männer
mit ihren Frauen ausgewiesen: Vausten Pflip, Hans Odenroller,
Jacob Reynhardt, Halb Schultheis der Junge, Heynfeld
Hensel der Junge und der Sohn von Schwartzkopf.(80)
Der Name Schultheiß taucht in Nußdorf
1502 auf, verschwindet aber bis 1534 und soll erst in
einer Einwohnerliste aus dem Jahre 1575 wieder auftauchen.
Im ersten Kirchenbuch von Nußdorf ist auch ein
Halb Schultheiß erwähnt.
Alles dies ist aber nur ein Indiz, kein
Beweis, dass die Familie Schultheiß am Bauernkrieg
beteiligt war.
Am 8. August glaubte man sich der »Anfenger und
Hauptleut« sicher sein zu dürfen. Stephan
von Roßbach und Thomas Goldschmidt wurden verhaftet.
Nach längerem hin und her, Bürger
der Stadt verwendeten sich für die Inhaftierten,
der Stadtrat wollte einer Freilassung nicht zustimmen,
wurden sie am 15. August 1525 mit Ausweisung verurteilt,
letztlich aber erst im Dezember der Stadt verwiesen.
Am 14. August versammelten sich die Bauern
der Außendörfer vor dem Rathaus, um nach
dem »uffrur und emporungen«(81)
ihren jeweiligen Obrigkeiten und der Stadt Landau den
Treueid schwören mußten.
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6. Opfer
»Synt etliche
der buwren, so geeynigt haben, zu Pfeddersheim erstochen
worden.«(82)
4000 sollen es nach Harer gewesen sein.(83)
Selbst wenn die Zahl zu hoch gegriffene Siegerpropaganda
ist, waren die Verluste der Bauern erheblich. Allerdings
gibt es keine »Verlustlisten« für Landau
oder Nußdorf.
Kirchenbücher wurden zu diesem Zeitpunkt
noch keine geführt, und die vorhandenen Einwohnerlisten
aus der Zeit um den Bauernkrieg können nur bedingt
herangezogen werden.
1502 zählte Nußdorf 26 Haushaltsvorstände(84),
neun Jahre nach dem Bauernkrieg waren es 29(85)
.
Allerdings tauchen 13 Familiennamen in
der Liste von 1534 nicht mehr auf, also die Hälfte.
Ein Zusammenhang mit dem Bauernkrieg scheint nahe zu
liegen.
Zwei Jahre später tauchen allerdings
von den 29 Namen von 1534 gerade noch 14 auf(86)
– ganz ohne Bauernkrieg. Ob Cuntzigs Hanß,
Gerhardts Deblold, Jung Veltin, Maischen Peter, Messerschmidt
Hensel und Jost, Pfaffen Veltin, Schwab Heintz, Schultheißen
Debolt, Lux Schultheiß, Nicolaus Schultheiß,
Simon und Veltin Hensel und Peter Waidtfogel, die von
1502–1534 aus Nußdorf verschwinden, tatsächlich
erschlagen auf der Pfeddersheimer Walstatt lagen, wird
sich wohl nie klären lassen.
So kann man keinen einzelnen Nußdorfer
für den Bauernkrieg von 1525 dingfest machen, allein
der Zufall der ersten »Rottung« in unserer
Region machte Nußdorf zu dem Ort, in dem für
die Geschichtsschreibung bis heute der Pfälzische
Bauernkrieg begann. Und in den brodelnden Tagen des
Frühjahrs 1525 hätte es auch an einem anderen
Ort bei einer anderen Kerwe geschehen können.
Historischer Nachruhm ist mitunter doch
von Zufällen abhängig!
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