Weinerlebnispfad



Ortsgeschichte

Römisches
Von Rolf Übel

Dass unsere Region in der Römerzeit von eben diesen bewohnt war, ist ein Allgemeinplatz, der keiner näheren Erklärung bedarf. Aber wo diese Römer nun genau lebten, darüber liegen vollständige Erkenntnisse nicht vor.

Und immer wieder tritt in unserer Umgebung Römisches zu Tage: Bei Pleisweiler-Oberhofen das Wirtschaftsgebäude eines römischen Gutshofs im Jahre 1999 und letzthin eine villa rustica in der Nähe von Edesheim.

Auch in der Umgebung von Landau sind römische Funde bekannt: So wurde auf dem Kaffenberg nordwestlich von Landau (heute als Luitpoldpark oder »Fort« bekannt) eine frührömische Nekropole entdeckt, in Landau-Godramstein fand man 1767 fünf Viergöttersteine, Wochengöttersteine und ein Minervarelief.(1) In Walsheim wurde der Grabstein des Barbatius Silvester aufgefunden, eines Ratsherren der Civitas Nemetum.
Die Civitas Nemetum, zu der auch das Gebiet des späteren Nußdorf gehörte, war eine römische Verwaltungseinheit in der Provinz Germania Superior, benannt nach den schon erwähnten Nemetern mit dem Hauptort Noviomagus (Speyer).(2)
Auch in Nußdorf kamen römische Funde ans Tageslicht. Das bekannteste Relikt ist der an der Nordost-Ecke des Langhauses der prot. Kirche vermauerte römische Viergötterstein.

1822 wurde er zum ersten Mai beschrieben: »Zu Nussdorf bei Landau befindet sich an einem Eck des Turmes ein sehr wohl erhaltener Altarstein eingemauert, dessen beiden sichtbaren Seiten den Herkules und die Juno vorstellen«.(3) In diesem Jahr wurde der Stein aus dem Turm herausge-nommen und an der Langhausecke vermauert.

Im Folgejahr erfolgte eine Beschreibung des Steins mit Zeichnungen der vier Götter im »Intelligenzblatt des Rheinkreises«.(4)
Der Stein ist heute noch an seinem Platz, alle vier Götter sind deutlich zu erkennen.(5)
Die Figurenflächen sind 90 cm hoch und 50 cm breit. Es handelt sich um die Basis einer Jupitergigantensäule mit den Göttern Jupiter, Juno, Minerva und Herkules. Die Figuren selbst sind 75 cm hoch.(6)
Herkules trägt ein Löwenfell über der linken Schulter und stützt sich auf eine Keule, das Gesicht und der Brustbereich sind stark durch Meißelschläge beschädigt. Da Herkules auf der Sichtseite des Turmes eingemauert war, könnte die Beschädigung bei Bauarbeiten am Turm geschehen sein. Eine antike Ausmeißelung lässt sich aber auch nicht widerlegen. Durch die Beschädigung ist nicht zu erkennen, ob Herkules einen Löwenhelm trägt. Zu den schon vor dem Ausbau sichtbaren Göttern gehörte neben Herkules die Juno, dargestellt mit einem Weihrauchkästchen und einem Pfau zu ihrer Linken.


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Die Figur ist verschleiert.
Minerva ist mit Lanze, Schild und Eule dargestellt; über Jupiters rechter Schulter ist ein Adler zu sehen. Auf dem Stein findet sich also die kapitolinische Trias: Der Götterherrscher Jupiter mit seinen Töchtern Juno und Minerva. Ihnen beigestellt war Herkules.
Viergoetterstein

Der Stein bildete wohl den Sockel einer Jupitergigantensäule, wie man sie in den sakralen Bereichen einer Villa rustica finden konnte.
Über das Aussehen der Jupitersäulen schreibt H. Bernhard: »Diese Monumente haben auf einem frühen Gutshof nur selten gefehlt. … Auf einem Sockel mit vier Bildseiten – Viergötterstein – sind in der Regel Juno, Merkur; Hercules und Minerva dargestellt; darüber erhebt sich ein vier- oder achtseitiger Zwischensockel mit Darstellung der Wochengötter. Darauf ist eine massive Säule gestellt, die oft eine geschuppte Oberfläche aufweist. Auf einem Kapitell steht dann die typische Figurengruppe: Jupiter reitet einen Giganten nieder«. (7)
Wo diese Villa nun genau stand, lässt sich nicht sagen. Der Ortstradition nach wir sie unter dem Kirchenhügel vermutet.
Ein 1990 auf dem Zugangsweg zur Kirche aufgefundener römischer Sarkophag scheint diese These zu stützen. Es handelt sich um das stark beschädigte Unterteil eines römischen Steinsarges ohne Deckel. Der Sargboden ist zwei Meter lang und 75 cm breit, die noch erhaltenen Seitenteile weisen recht grobe vertikale Bearbeitungsspuren auf. Diese Seitenteile sind weitgehend abgeschlagen. Vermutlich war der Sarg, der aus dem 3./4. nachchristlichen Jahrhundert stammt, in einer römischen Nekropole gefunden und später für eine weitere Bestattung, möglicherweise in der romanischen Kirche in Nußdorf, verwendet worden.

Bei dem Ausbau der Kirche in den 30er Jahren des 18. Jh. wurde er wohl ausgegraben und als Fundamentierung des neuangelegten Plattenwegs zum Kirchenportal verwendet. Woher er ursprünglich stammt, lässt sich nicht sagen.(8)
Der Sarg ist heute an einer Hauswand im Kirchengarten vermauert.

Eine römische Münze, ein As des Kaisers Hadrian, gefunden in der Neugasse (heute »Am Kindergarten«) gibt einen weiteren Hinweis auf eine römische Vergangenheit Nußdorfs.(9)

Auf die Frage nach dem Standort von römischen Gebäuden gibt es heute allerdings noch keine schlüssige Antwort!

Quelle: 1200 Jahre Nußdorf. Stationen einer Ortsgeschichte.
Hrsg.: Historischer Arbeitskreis Bauernkriegshaus Nußdorf/Pfalz. Landau, 2002


Nußdorf und der Bauernkrieg

Von Rolf Übel

Der Beginn der Ereignisse scheint klar! Schon Peter Harer, der zeitgenössische Chronist der Begebenheit, schreibt hierüber unter der Überschrift »wie dies schendlich Übel in die Pfalz gekommen«:
»Und es begab sich, als in eym Dorf, bey Landaw gelegen, Nußdorff geheißen, am Sontag Quasimodogeniti (23. April) Kirchweihe gehalten ward und alter Gewonheit nach von den Umbsassen mehrerteils besucht, das etliche leichtfertige Knaben, uff die 200, in einem Gespräch sich zusammen verpflichten, in Maynung, einen aygnen Hauffen aufzurichten, versamleten sich in der Nacht bey dem Monchhove geilweiler uff einem berg.«(1)

Auch das Ratsprotokoll der Stadt Landau, unsere zweite zeitgenössische Quelle, berichtet von dem Ausbruch der Unruhen in Nußdorf, »etliche persohnen« haben sich in Nußdorf gerottet, um in »daz closter usserstall zu fallen.«(2)


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Mit anderer Hand wurde an diesen Eintrag vom 28. April hinzugefügt: »Bauernkrieg zu Nußdorff angefangen«. Die Schrift ist allerdings wesentlich jünger. Es darf davon ausgegangen werden, dass diese Randnotiz erst entstand, als das Buch zum Zwecke der Indizierung paginiert wurde.
Allerdings war sich der Bearbeiter über die Wichtigkeit des Ereignisses durchaus im klaren, so dass er es mit Randnotiz versah und in den Index aufnahm.
Am 23. April also, halten wir fest, haben sich Bauern in Nußdorf auf der Kerwe zum Aufstand erhoben, 200 an der Zahl. Dies sollte zum Beginn des Pfälzischen Bauernkrieges werden.

Die pfälzische Geschichtsschreibung hat dieses Ereignis immer wieder beschrieben, in alter wie in neuerer Literatur. Der große Pfälzer Historiker des 19. Jh., Ludwig Häusser, redet von dem Aufstandbeginn in Nußdorf(3), der Nußdorfer Pfarrer Johann Georg Lehmann geht hingegen auf die Ereignisse in dem Außendorf Landaus in seiner Stadtchronik nur recht kurz ein.(4)

1830 hatte der Stadtchronist Birnbaum sehr ausführlich über den Aufruhr in Nußdorf berichtet. Was er schreibt, ist aber nichts mehr als ein Paraphrase des Harerschen Textes: »An den Ostertagen war Kirchweihe im Dorfe. Die jungen Burschen zogen, wie es damals üblich war, unter Trommelschlag und Pfeifenklang, mit Schießgewehren und Hellebarden bewaffnet, lustig im Dorfe herum, der von ihnen gewählte Rottmeister mit dem Fahnenträger an ihrer Spitze. Nachmittags gieng´s in die Schenke, wo getanzt und gezecht wurde, und die Alten mit dem Glase sich von den Großthaten ihrer Brüder jenseits des Rheins unterhielten; wie diese nämlich die Pfaffen und Adeligen zu Paaren trieben, Schlösser und Klöster leerten, und in Saus und Braus lebten; indes die Jungen sich mit Tanzen belustigten. Diese Gespräche dauerten bis tief in die Nacht hinein, und wirkten sehr auf die von Tanz und Wein erhitzten Köpfe der jungen Burschen, welche sich nach und nach dazu gesellten, dass sie plötzlich vom Freiheitsschwindel ergriffen wurden, und ihrer 200 an der Zahl, in jener Nacht noch, in das Siebeldinger Tal fielen, die Bauern aus ihren Betten mit fortrissen, und am Morgen, schon 500 Mann stark, den Geilweiler-Hof besetzten.«(5)


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Eduard von Moor nennt in seiner kleinen Stadtgeschichte Nußdorf nicht als Ausgangspunkt der Erhebung.(6)
Jakob Wackers kurzer Aufsatz in der Jubiläumsschrift von 1960 hält sich an die Quellen des Stadtarchivs Landau und erwähnt zum Beginn der Ereignisse nur: »Am Sonntag Quasimodogeniti 1525 auf der Kerwe begann der pfälzische Bauernkrieg«.(7)

Auch die neuere Literatur nennt Nußdorf.
Meinrad Schaab schreibt in seinem Grundlagenwerk über die Kurpfalz zum Beginn des linksrheinischen Bauernkriegs. »Die Nußdorfer Kirchweihe wurde zum Ausgangspunkt.«(8)
In Karl Mörschs Geschichte der Pfalz kommt Nußdorf vor. Mit dem »Auftakt in Nußdorf« beginnt seine Beschreibung der Ereignisse des Jahres 1525.(9)
Für die pfälzische Geschichtsschreibung ließe sich dies noch fortführen. Dass im Jahre 1525 in Nußdorf der Bauernkrieg ausgebrochen ist, ist Allgemeingut in der Heimatgeschichte und in der Volkskunde der Pfalz.

In überregionalen Publikationen sucht man Nußdorf allerdings vergeblich oder findet ihn bestenfalls als Fußnote.(10) Auch der pfälzische Bauernkrieg wird in der Regel nur gestreift. Und eine umfassende Darstellung des Bauernkriegs in der Pfalz war lange Zeit Desiderat. Sie liegt erst mit den Veröffentlichungen von Willi Alter vor.(11)
Dieser Beitrag wird sich mit der Rolle Nußdorfs und der Nußdorfer im Bauernkrieg beschäftigen.
Er will nicht die Allgemeingeschichte des Bauernkriegs noch einmal erzählen.
Für andere Orte (z.B. Neustadt(12) , Weißenburg(13) , Pfeddersheim(14) , Bergzabern(15) , Siebeldingen(16) oder Steinfeld(17) ) liegen dergleichen Untersuchungen schon vor.
Der Beitrag versteht sich auch nicht als Nabelschau.

Aber die Ortsgeschichte und vor allem die Ortstradition haben mitunter falsche Topoi, die scheinbar unausrottbar sind. Diese gilt es nun kritisch zu hinterfragen.


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1. Nußdorf, Sonntag Quasimodogeniti anno 1525

Was geschah an diesem Sonntag des Jahres 1525? Im dem oben schon zitierten Bericht von Peter Harer wird über die Kirchweih berichtet, ein wichtiges dörfliches Fest, bei dem nicht nur Nußdorfer zusammenkamen.
Vielmehr hatten sich viele »Umbsassen«, also Bewohner des Umlandes, zu dieser Festlichkeit eingefunden. Und 200 von ihnen wollten einen »eygnen Haufen uffrichten«.
Also 200 Männer, im waffenfähigen Alter, haben sich zusammengerottet. Können dies alles Nußdorfer gewesen sein – oder waren es alles »Umbsassen«? Darüber schweigt die Quelle!
Die Nußdorfer wären, ausweislich der Bürgerlisten, nie und nimmer in der Lage gewesen, 200 Mann zu einem Bauernhaufen zu vereinigen.

1502 zählte man im Ort 26 Haushaltsvorstände und im Jahre 1534 waren es 29(18) , also 1502 ungefähr 105 Seelen und 1534 ca. 115 Einwohner.(19)

Eindeutig zu wenig, um einen Bauernhaufen aufzurichten. Spätere Milizlisten der Stadt Landau sollten für Nußdorf ganze 30 waffenfähige Bürger aufzeigen. Also muss man die Hauptbetreiber der Nußdorfer Ereignisse bei den auswärtigen Gästen des Festes suchen.
Und diese wollten einen »eygnen Haufen« aufrichten. Es ist davon auszugehen, dass die Kunde der Aufstände im Brurhein wie in Lothringen in Nußdorf nicht unbekannt waren.

Vom »bundschuhigen geläufft« spricht das Ratsprotokoll in Landau schon im März.(20)
Im Lande gärte es. Ob und in wie weit die Auswirkungen der »Bundschuhbewegung« des Joß Fritz von 1493 (in Schlettstatt) und 1502 (im Hochstift Speyer) Einfluss auf die Pfälzer Ereignisse nahm, ist nicht nachzuvollziehen.


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Es darf aber davon ausgegangen werden, dass die Bundschuhbewegung die Ereignisse in der Pfalz vorbereitete.(21)
Der Boden war also bereitet. Ich will hier nicht auf die Programmatik der aufständischen Bauern in anderen Gegenden eingehen, was wir über die Forderungen der Pfälzer Bauern wissen, soll bei der Darstellung des Vertrages von Forst genannt werden.

Wo aber hatten sich die Aufrührer verabredet. Immer wieder wurde das heutige Bauernkriegshaus in Nußdorf als der Ort lokalisiert, in dem die Bauern sich zusammenrotteten.
Das Untergeschoss des Hauses stammt tatsächlich aus dieser Zeit. Eine Inschriftentafel erinnert an den Besitzer des Gebäudes: Hans Hol.(22)
Hans Hol taucht 1502 in einer Einwohnerliste des Ortes auf.(23)

Nach dem Bauernkrieg wird er nochmals aufgeführt, als Gerichtsschöffe.(24) Er war also Mitglied des Nußdorfer Dorfgerichts und damit zur dörflichen Oberschicht zugehörig. Es ist eher unwahrscheinlich, dass er sein Haus für eine Zusammenrottung zur Verfügung stellte. Und wäre er gar einer der Anführer gewesen, so wäre er mit einiger Sicherheit zumindest seiner Stellung gegenüber der Stadt Landau verlustig geworden.

Die Rottung fand also nicht in seinem Haus statt, sondern dort, wo sich auf der Kerwe seit jeher die Menschen versammelten: Auf dem Kirchplatz.
Die »Umbsassen«, also sicherlich auch Landauer Bürger und Untertanen anderer Herrschaften, zogen nun, 200 Mann, stark zu dem Hofgut Geilweiler, zwischen Frankweiler und Siebeldingen gelegen und dem Zisterzienserkloster Eußerthal zugehörig, und lagerten dort in der Nähe auf einem Berg.

Sie rissen die Bewohner des Umlandes aus den Betten. »Die bawren uff iren betten uffgehoben und dann zu einen geloben, auch mitzuziehen«, berichtet der Chronist.(25)

Hatte der »Nußdorfer Haufen« sich nun gebildet, wie in der Literatur zu lesen steht? Geht man von dem Ort der »Rottung« aus, so kann diesem zugestimmt werden. Wollen wir aber die Bauernhaufen nach ihren Angehörigen nennen, so ist dieser Begriff wohl fehldeutig. Wie schon erwähnt, allzu viele Nußdorfer können nicht dabei gewesen sein!


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»Welcher örtlichen wie herrschaftlichen Zugehörigkeit die ersten 200 Verschworenen im einzelnen waren, lässt sich nicht mehr feststellen. Wir tun gut daran, in ihnen vorwiegend Leute aus den Nachbarorten zu vermuten«, schreibt Alter zu Recht.(26)
Diese Bauern verstärkten sich nun durch Godramsteiner und Siebeldinger Einwohner. Kurpfälzer, speyerische, zweibrückische und Dahner Untertanen waren betroffen.(27)

Die Hauptbeteiligen schienen aber kurpfälzer Untertanen des Siebeldinger Tals gewesen zu sein. Dies riefen den Vogt Jakob von Fleckenstein, kürpfälzischen Amtmann in Germersheim, auf den Plan.

Noch in dieser Nacht des 23. auf den 24. April gelang es dem Fleckensteiner, die Bauern zu zerstreuen, ohne dass es zu Gewalttätigkeiten gekommen war.
Am 28. April ermahnte auch die Stadt Landau ihre Untertanen, nicht mit dem Bauernhaufen zu ziehen.(28)

Eine Woche herrschte Ruhe. Am 30. April brach der Aufruhr aber wieder los. Wo sich die Bauern wieder zusammenrotteten, ist nicht überliefert.
Nun begann die Plünderungen: »Die fielen in Stift Clingenmunster, desgleichen ins Closter Herde, ins Johanserhaus Heynbach und den Munchshove Mechtersheim, namen Korn, Wein, Vihe und Essenspeys daraus und lebten im Sauß«.(29)

Wir kennen einige Beteiligten an diesen Aktionen. So wurden die Bürger von Pleisweiler nach dem Bauernkrieg mit einem Strafgeld belegt.(30)

Das Ziel waren kirchliche Niederlassung.
Will man hier wieder von einem Nußdorfer Haufen sprechen?
Waren Nußdorfer an der Aktion beteiligt?
Landauer in jedem Fall! Denn die Stadt musste sich wegen der entstandenen Schäden mit dem Probst von Hördt und dem Ordenskomtur von Heimbach vergleichen. Von »viehe und weyne« ist die Rede.(31)


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2. Der 5. Mai, »Der Geilweiler Haufe als eine Neuversammlung der Nußdorfer«(32)

»Im selbigen, als der Kolbenhaufe, wie obgeschrieben, den Flecken Annweiler ingenommen, da han sich die Bauern aus Newkastler, Magdenburger, Kirbweiler Ampten und Sibeltinger Tal zusamengeton und versamlet (...).«(33)

Harer nennt uns die Verschworenen genau. Amtsuntertanen des zweibrückischen Amtes Neukastel, der hochstiftisch-speyerischen Ämter Madenburg und Kirrweiler und die kurpfälzischen Untertanen des Siebeldinger Tals.

Ort und ein Teil der Beteiligten waren identisch mit denen am 23. April, aber hier nun ein Kopie des Nußdorfer Haufens sehen zu wollen, geht vielleicht doch zu weit. Allerdings nennt Alter den Haufen nun den »Geilweiler Haufen«, wieder nach dem Ort der Rottung.
Trotzdem ist seine Aussage: »In diesem ´Geilweiler Haufen` dürfen wir eine Fortsetzung des vorangegangenen ´Nußdorfer Haufen´ sehen, da wir davon ausgehen können, dass es sich die anfänglichen Aufständischen beteiligten und deren Kern ausmachten«(34), kaum zu beweisen.

Eines der bekanntesten Opfer dieser zweiten Zerstörungswelle war das Kloster Eußerthal, denn dieses gilt ja immer wieder als das Opfer der Nußdorfer.
Bei dem Eußerthaler Klosterspiel zum Klosterjubiläum 1998 wurde es uns vor Augen geführt – die Nußdorfer eroberten und zerstörten das Kloster!

Oder wer hat nun das Kloster Eußerthal zerstört?
Die Zerstörung des Klosters Eußerthal wird in der Ortstradition als Werk der Nußdorfer Bauern gleich nach dem 23. April 1525 gesehen.
Allerdings schreibt Jakob Wacker in der Schrift zur 1000-Jahrfeier nichts von einer Beteiligung der Nußdorfer an der Zerstörung Eußerthals – und er scheint recht zu haben.(35)
Peter Harer berichtet: »(...) desgleichen das Closter Eußerstal geplundert, zerrissen und alle Ding verwust hetten (...)«(36) und schreibt dies dem Geilweiler Haufen zu, der sich Anfang Mai zusammengefunden hatte.


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Er gilt, wie gesagt, als Nachfolger des Nußdorfer Haufens vom 23. April. Aber war der Geilweiler Haufen tatsächlich bei der Plünderung von Eußerthal beteiligt? Oder irrt sich auch der Stadtchronist Landaus, wenn er schreibt, dass etliche Personen eidbrüchig geworden waren, um »in daz closter Usserstall zu fallen.«(37)
Neuere Forschungen ordnen diese Tat dem Kolbenhaufen zu: »Wir dürfen den Überfall auf das Kloster Eußerthal in der Hauptsache dem Kolbenhaufen zuschreiben, wenngleich Harer hierfür den Geilweiler Haufen verantwortlich machte,« bemerkte W. Alter.(38)

Der Kolbenhaufen(39) , verstärkt durch Bauern aus der Herrschaft Falkenburg, der pfalz-zweibrückischen Vogtei Annweiler und aus dem Siebeldinger Tal waren wohl die Urheber.
Falkenburger Bauern mußten nach dem Bauernkrieg Schadensersatz leisten, den der Abt Wiegand bei dem Grafen von Leiningen als Mitbesitzer der Herrschaft Falkenburg eingefordert hatte.(40)

Ebenso zahlte die Vogtei Annweiler Gelder für die Verwüstungen durch Pfalz-Zweibrücker Untertanen. Die Annweilerer Stadtrechnung weist einen Betrag aus, der an das Kloster als Wiedergutmachung floss.(41) Und in der Stadt Landau wurde Plündergut von Bauern aus dem Siebeldinger Tal angeboten.

Spricht man dem Kolbenhaufen die Hauptschuld an der Zerstörung des Klosters Eußerthal zu, so ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass der schon zerstörte Konvent von Teilen der Geilweilerer noch einmal heimgesucht wurde. Denn im Ratsprotokoll der Stadt Landau ist, wie schon erwähnt, exakt vermerkt, dass Bewohner des Umlandes »in das closter ussersthal« gefallen sind – und dies waren wohl nicht Männer des Kolbenhaufens.

Aber diese hält auch der Abt selbst für schuldig: »Schedenn, dem gotzhuß Ußerthall durch die aoffrurrische buwernschafft zugefügt vom kolbenhauffen unnd nemlichen dz falckenburger ampt mit iren hilffers hilfern.«(42)

Bei letzteren wird es sich wohl um die Geilweilerer gehandelt haben. Die Schadenestimation des Klosters listet alle Zerstörungen auf, die Falkenburger Untertanen, verstärkt durch Annweilerer und Neukasteller Vogteiuntertanen, angerichtet hatten.
In Landau kam Plündergut zum Verkauf. Und aller Wahrscheinlichkeit waren Landauer Bürger Ankäufer, mglw. auch Beteiligte an der Plünderung von Eußerthal.
Wenn Alter recht hat, kamen sie aber zu spät – und konnten nur das, was der Kolbenhaufen schon zerstört hatte, noch einmal durchwühlen.


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Die Verkäufer waren keine Landauer Bürger, vielmehr Bauern aus Siebeldingen, Eußerthal, Ramberg, Hochstadt, Mörlheim und anderen Orten.(43)

Wenn Nußdorfer auch Plündergut aus Eußerthal feilgeboten hätten, warum sollte der Stadtschreiber dies nicht vermerkt haben? Nußdorf war ein Außendorf der Stadt und unterstand deren Gerichtsbarkeit.

Die ersten Übergriffe der Bauern richteten sich gegen kirchliches Gut; Burgen wurden erst am Anfang Mai zum Ziel der Bauernrevolte.
Die erste war Böchingen. Die Burg war die erste Burganlage, die dem zweiten Geilweilerer Haufen zum Opfer fiel. Über dieses Aufgebot haben wir schon gehört, Nußdorfer oder Landauer sind unter den Bauern nicht erwähnt.

Möglicherweise war sie die erste Burg überhaupt, die von Pfälzer Bauern zerstört worden war. W. Alter schreibt: »Wir stehen vor einem Novum bei den Aktionen der pfälzischen Bauern.
Ein Adliger wurde heimgesucht und stark geschädigt. Neben dem geistlichen Gut vergriffen sich die Aufständigen nun auch am adeligen.«(44)

Bei seinem ersten Zug nach dem 23. April hatte der Nußdorfer Haufen, behelfen wir uns des Konstrukts, vornehmlich Kirchengut geplündert.
Bei der zweiten »Rottung« des Geilweilerhaufens nach dem 5. Mai 1525 griffen die Bauernrotten aber auch Burgen an.

Die Zerstörung der Burg in Böchingen nennt auch Harer: »(...) sein sie von dannen gehen Bechingen gezogen, Rudolffen von Zeißkeim zugehorig, dem sie in sein Schloß gefallen, und da sie es sauber geplundert, vil guts darin befunden.«(45)


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Die Zerstörung der Burg wird den Nußdorfern zugeschrieben. Allerdings mußte der Herzog von Pfalz-Zweibrücken dem Junker Rudolf von Zeiskam wegen Unbewohnbarkeit der Böchinger Burg einen Turm in der Stadtmauer in Annweiler zur Wohnung herrichten, wofür die Einwohner der Stadt fronen mußten.(46)
Dies geschah, weil Kleeburger Bauern, Untertanen von Pfalz-Zweibrücken, sich an der Zerstörung und Plünderung beteiligt haben. Damit ist erwiesen, dass nicht nur der Kolbenhaufe, sondern auch der Kleeburger in unserem Gebiet herumzog.(47)

 

Also waren es nicht nur Nußdorfer, denn der sog. Geilweiler Haufen, in dem sich ja die Nußdorfer befunden haben sollen, bestand aus Bauern verschiedener Herrschaften.
Der Geilweiler Haufen, der häufig eine Forstsetzung des Nußdorfers genannt wird, zog weiter nach Norden und zerstörte die Kropsburg, das Zisterzienserinnenkloster Heilsbruck in Edenkoben, verbrannten die Burg in Edesheim, die Kästenburg und die Kirrweilerer Burgen.

Auf ihrem weiteren Zug nach Norden vereinigten sich die Bauern, die sich zum ersten Mal am 23. April in Nußdorf dem Aufruhr angeschlossen hatten, mit dem großen Bauernheer in Forst, das am 10. Mai mit dem Kurfürsten den Vertrag von Forst abschloss.


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3. Die Zerstörung von Burgen

Immer wieder werden die Nußdorfer mit der Zerstörung der Burgen Madenburg und Scharfeneck in Verbindung gebracht. Was den Überfall auf die Madenburg betrifft, sind sie vollkommen freizusprechen.

Über die Zerstörung der Burg schreibt der Chronist Peter Harer: »(...) han sie sich andermals zu Merleim versamblet und daselbst etliche Tag, bis sie sich wol gesterkt hetten, gelegen, seind darnach, wie volgends gemelt wurde, gezogen und mit der Tat gehandelt, und wiewol die speirischen von dem Brurhein irs Heren Schloß Madenburg, obwendig gelegen, zur Verwarung ingenommen, han sich die Bauern doch von obgemelten Haufen hineingeton und in Boden ausgeprent«.(48)

Frey beschreibt die Zerstörung: »Der Bischof hatte zwar eine beträchtliche Rotte Bauern aus dem Oberamt Lauterburg, wohin das Amt Madenburg zählte, hierher beordert; allein ihr Hauptmann Niklas Wynstall verrieth mit seinen Mannen seines Herren Schloß, ließ die Aufrührer, bei ihrem Erscheinen vor den Thoren, in dieselben ein, und nun ergoß sich der bunte Haufen durch Keller und Gemächer, raubte, soff, jubelte, warf Feuer in die Burg, überließ sie den verheerenden Flammen, und zog weiter, um fernere Unthaten zu verüben.«(49)

Ähnlich schildert J.G. Lehmann 1857 das Geschehen: »Kaum waren die empörten Aufrührer den steilen Berg hinangestürmt und vor den Burgthoren erschienen, so ließ sie der Hauptmann Nicolaus Wynstall auf die erste Aufforderung hin, ohne die geringste Gegenwehr, sogleich in dieselbe einziehen und verrieth so die Festung seines Herren an die entfesselte Menge.
Diese schwärmte nun durch die Gemächer und Keller, raubte alles Vorfindliche, ließ sich den Wein gut schmecken, soff und jubelte, zündete dann die alte Veste aller Ecken an, verwandelte sie in einen leeren ausgebrannten Steinhaufen und zog hernach weiter auf neuen Raub.«(50)


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Die Madenburg hatte also eine Besatzung, die aus einer Miliztruppe bestand, die aus Bauern rekrutiert war. Ihre »Verteidigung« war somit einer der wenigen Versuche, Bauern gegen Bauern zu stellen.

Am 8. Mai zog das Lauterburger Aufgebot nach Udenheim (heute Philippsburg), um sich dort zu stellen, aber auch, um mit dem Bischof über die Forderungen der Bauern zu verhandeln.
Teile des Lauterburger Aufgebots begaben sich auch zu dem am selben Tag bei dem Geilweiler Hof versammelten Bauernhaufen, um ihn von Übergriffen auf speyerisches Gebiet abzuhalten, allerdings ohne Erfolg.

Ein Teil des bischöflichen Aufgebots, dass gesamt 400 Mann stark gewesen sein soll, wurde am 11. Mai unter dem Kommando des Niklas Wynstall, des Schultheißen von Lauterburg, als Besatzung in die Burg gelegt. »Doch schon gleich änderte sich die Situation.
Es marschierten Bauern anderer Haufen vor der Madenburg auf und verlangten Einlas. Die Lauterburger wehrten sich nicht, sondern öffneten freiwillig die Tore und verbrüderten sich mit ihren Genossen. Die Burg wurde aus- und niedergebrannt.«(51)

Die Burg wurde wohl am 17. Mai zerstört, möglicherweise von dem sogenannten Mörlheimer Haufen, der sich am Vortag im Eußerthaler Hof in Mörlheim versammelt hatte. Die auf der Burg gelegenen Bauern vereinigten sich nach der Zerstörung der Burg mit jenen, die sie eigentlich von der Einnahme der Madenburg hätten abhalten sollen.

»Der Versuch schlug völlig fehl, Bauern gegen Bauern in den Kampf zu schicken.«(52)
Nach der Niederschlagung des Aufstandes belegte der Bischof die Bauern des Amtes Lauterburg mit einem Strafgeld, zudem mußten sie beim Wiederaufbau der Madenburg frönen.

Auch Untertanen des Bischofs aus dem Amt Madenburg (Eschbach, Arzheim, Ranschbach, Waldhambach und Waldrohrbach) hatten sich an dem Aufstand beteiligt.
Außer Strafgeldern, die an den Landesherren zu zahlen waren, war eine Huldigung zu leisten. Am 18. August 1525 mußten die bischöflichen Untertanen in Edesheim den Untertaneneid erneuern.


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Auch hier zeigen sich die Probleme der Benennung. Die Mörlheimer sollen es gewesen sein. Die Bauern hatten sich tatsächlich »zu Merlheim versamblet«(53) . Aber waren es Mörlheimer. Sicherlich nicht! Genauso wenig wie der Nußdorfer Haufen vom 23. April aus nur Nußdorfern bestanden hatte.

Eine Beteiligung der Nußdorfer Bauern an der Zerstörung ihrer ehemaligen Zwingburg ist nicht nachweisbar.
Wie verhält es sich aber mit der Burg Neuscharfeneck, die bis heute als ein Opfer der Nußdorfer Bauern gilt? Die Besitzer der Burg, die Grafen von Löwenstein-Scharfeneck, hatten ein Hofgut in Nußdorf.
Der Chronist schreibt über Neuscharfeneck: »Demselbigen nach namen sie Scharpffeneck, der Graven von Lewenstein Schloß, in und nach besehener Plunderung pranten sie es aus (...).«(54) Dies geschah als Aktion des sog. Unteren Haufens wahrscheinlich um den 14. Mai 1525 herum.

Zuvor, schon Mitte April, hatte der Burghauptmann sich in Landau mit Pulver für die Geschütze der Burg versehen wollen. Die Stadt lieferte ihm zwei Tonnen Pulver.(55)

Trotzdem war eine der am stärksten befestigten Burgen der Pfalz nicht in der Lage, einem Angriff der Bauern zu begegnen. Die Geschütze in der nach 1464 erbauten Schildmauer, insgesamt zehn; standen in der Burg, waren somit wertlos. Die Schildmauer selbst zählt zu den mächtigsten ihrer Art in Süddeutschland. Aber die Kanonen waren wohl nicht ausreichend bemannt und konnten nicht eingesetzt werden.(56)

Die Geschichte der Einnahme der Burg wurde von Emil Heuser im Jahre 1925 so erzählt: »Der zaghafte Schlosshauptmann war, bevor noch die Bauern an die Burg herangerückt waren, ins Bauernlager bei Frankweiler gelaufen und hatte dort den Bauern gegen das Zugeständnis, dass er mit seiner Familie nebst persönlicher Habe frei abziehen könne, die Übergabe der außerordentlich starken Burg angeboten, nur sollten sie versprechen, dass die Burg nicht gebrochen und nicht angezündet werde.
Damit waren die Bauern einverstanden. Der Schlosshauptmann zog mit seinen Leuten aus, der Bauernhaufe dafür ein. (...) Sie brannten trotz ihres Versprechens das Schloss ganz aus.«(57)


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Warum die Bauern trotz des Versprechens die Burg anzündeten, hatte J.G. Lehmann schon 1857 beschrieben: »Da nämlich die Menge über eine schmale hölzerne Brücke nach einem Thurme eilte, fiel ein, vermuthlich benebelter Bauer im Gedränge von derselben in die Tiefe des Grabens hinab, der sich sogleich wieder unversehrt vom Boden aufraffte und wohlbehalten davon lief.

Bei diesem Anblick schrie das verblendete, aufgeregte Volk einstimmig: Wunder über Wunder! Denn sie sahen diesen Zufall als eine gute Vorbedeutung ihres, vom Himmel so sichtbar begünstigten, Unternehmens an und geriethen dadurch in solche Begeisterung, dass sie, wortbrüchig und ihrer gegebenen Zusage vergessend, unsere Neu-Scharfeneck in Brand steckten und, nebst vielem darin aufbewahrtem Getraide und wichtigen Urkunden, bis auf die nackten Mauern zerstörten (...).«(58)

Der Burghauptmann soll nach Lehmann den Namen Gibelin oder Gibelinius getragen haben.
Neuscharfeneck wurde, wie eine Urkunde belegt, definitiv »im purischen uffrure«(59) zerstört und bis 1530 wieder aufgebaut und erweitert.
Der Wiederaufbau geschah allerdings mit Verzögerung, was auf massive Zerstörungen an der Bausubstanz hinweist. Bauern aus den beim Aufstand beteiligten Orten mußten für die Burgbesitzer frönen.
Hatten die Nußdorfer Bauern einen Grund, dem Besitzer der Burg zu grollen?
Es war sicherlich nicht der doch recht kleine Besitz der Löwenstein-Scharfenecker in Nußdorf, der sie in Rage brachte.
Vielmehr wurde immer wieder darüber spekuliert, ob der Eingriff in die Geraidegerechtigkeit der Genossen der Grund für den Angriff auf die Burg war.

Direkte Verbindungen bestanden nicht, denn die Burg Neuscharfeneck lag in der Zweiten Mittelhaingeraide, zu der Walsheim, Roschbach, Flemlingen, Böchingen, Burrweiler, Gleisweiler, Ramberg und Dernbach gehörten.

Nußdorf gehörte zur Oberen Haingeraide, zu der auch Eußerthal gehörte. Also wären Streitigkeiten um Waldnutzungsrechte eher ein Grund für den Hader mit dem Kloster Eußerthal, nicht aber für einen Angriff auf Neuscharfeneck.(60)


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Wohl lagen die Herren von Scharfeneck, die ab 1540 auch Herren der Ramburg waren, in ständigem Streit mit den Markgenossen, über die sie die Vogteirechte ausübten, aber Nußdorfer Gerechtsame waren hiervon nicht betroffen.(61) Und wenn in der schon erwähnten Urkunde von Fronleistungen für den Wiederaufbau der Burg die Rede ist, so dürfte sich dies auf Nußdorfer Haingeraidegenossen wohl nicht bezogen haben.
Der Graf Friedrich von Löwenstein hatte wohl im Löwensteiner Hof in Landau während des Aufstandes Zuflucht gesucht.
Von dort aus schickte er Bewaffnete aus, um Männern habhaft zu werden, die am Bauernkrieg beteiligt waren.

Im Juli, als kurz nach dem Ende des Bauernkriegs, ließ er einen gewissen Arbogast Pur aus Dernbach suchen.(62) Späterhin sollte bei den gesuchten Anführern sich auch ein Jost aus Dernbach befinden.(63)

1529 einigte sich die Grafen von Leiningen-Dagsburg mit den Löwensteiner über die Zahlung von 50 Gulden wegen der Zerstörungen an der Burg. Somit waren Falkenburger an dem Niederbrennen der Burg beteiligt. Vor allem klagte Graf Friedrich über den Verlust von Hausrat.
Nun ist die Frage nach der Beteiligung der Nußdorfer Bürger an der Zerstörung von Burgen immer noch nicht geklärt. Definitiv ohne den Schatten eines Zweifels nachweisen, um einen Terminus des modernen Strafverfahrens zu verwenden, kann man den Nußdorfern nichts.


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4. Wofür sie kämpften!

Die Bauernhaufen, die seit dem 23. April 1525 in verschiedenen Zusammensetzungen durch die Pfalz zogen, Klöster, kirchliche Niederlassungen und Burgen zerstörten und plünderten, kamen nicht alle aus der Pfalz.

Die Kleeburger hatten sich am 23. April südlich von Weißenburg, der Kolbenhaufen um den 30. April bei dem Kloster Stürzelbronn zusammengefunden; von Nußdorf nahm die südpfälzische Bewegung am 23. April ihren Ausgang, um am 30. April bei dem Geilweiler Hof erneut zu beginnen.

Der Kolbenhaufen zog durch die Pfalz, Kleeburger finden sich in Steinfeld, Minfeld und anderen pfälzischen Orten an der Lauter.
Am 29. April bildet sich unabhängig, aber wohl in Kenntnis der Ereignisse in der Südpfalz eine Woche zuvor, der Bockenheimer Haufen.

Es soll hier nicht auf die einzelnen Züge der Bauernhaufen eingegangen werden. Aber ich denke hier feststellen zu müssen, dass der Begriff eines pfälzischen Bauernkriegs irreführend ist – es ist vielmehr von einem pfälzisch-elsässischem Bauernkrieg zu sprechen(64), vor allem durch das Übergreifen der Elsässer Bauernhaufen auf die Pfalz.

Es ist daher schwer, die Programmatik der aufrührerischen Bauernschaft zu rekonstruieren. Sicherlich waren die Forderungen des speyerischen Bundschuh von 1502 in der Pfalz nicht unbekannt (65), ebenso kann davon ausgegangen werden, dass auch die »Zwölf Artikel« der Bauern in Schwaben ihren Weg in die Pfalz gefunden hatten.(66)

Da der Vertragstext von Forst verloren ist, werden sich die Details der Forderungen der Bauern der Pfalz nicht mehr rekonstruieren lassen. Es gibt aber Hinweise! Die beiden Bauernhaufen – der Obere Haufen, der von Nußdorf und später Geilweiler seinen Ausgang nahm, und der Untere Haufen, der Bockenheimer, trafen am 10. Mai 1525 mit dem Kurfürsten Ludwig V. von der Pfalz.
Beide Seiten schienen an einer Schlichtung interessiert.
Die Neustadter Bürger, die mit den Bauern gemeinsame Sache machten, sicherten dem Kurfürsten und den 30 ihn begleitenden Räten freies Geleit zu. Am 10. Mai trafen sich die Parteien in Forst.


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Die Bauern nutzten die Gelegenheit zu einer Machtdemonstration. Bis zu 8000 Mann, mit Fahnen und Waffen, sollten vor dem Kurfürst aufmarschiert sein. Der Vertrag kam dann auch zustande.
Aber der Text ist nicht überliefert.

Aber der Kurfürst ließ in Erwartung eines ausgeschriebenen Landtages zwei Gutachten erstellen, von Philipp Melanchthon und von Johannes Brenz, in denen die Forderungen der Bauern dann in versteckter Form vorkommen.
Denn die beiden Männer gaben ihre Stellungnahme zu diesen Forderungen ab. Zwar lehnten sie den Aufruhr generell ab, gingen aber auch auf die konkreten Forderungen ein:

  • Die Pfarrer sollten von der Gemeinde und vom Fürsten gewählt werden und nur das Evangelium predigen.
  • Abschaffung des Großen Zehnten.
  • Abschaffung der Leibeigenschaft und der damit verbundenen Abgaben wie Besthaupt und Buteil.
  • Freie Jagd in den Wäldern.
  • Wiederherstellung der dörflichen Allmende.
  • Moderater Umgang mit den Fronden.
  • Gemäßigte Zinsen.


Diese Inhalte hatten ihre Vorläufer im Bundschuh, aber auch im Armen Konrad in Württemberg. Vorbild waren die »Zwölf Artikel« der schwäbischen Bauern, um den 1. März 1525 verfasst und weit verbreitet.

Neben der Wahl der Pfarrer forderten die Bauern auch die Lehre gemäß dem Evangelium, wehrten sich gegen Neuerungen im Recht (hier vor allem gegen die Einführung des Römischen Rechts), forderten eine Rücknahme von Steuern (Ungeld, Zehnt) und Leistungen (Frondienste) oder zumindest deren Verminderung und forderte die alten bäuerlichen Rechte wieder ein (Fisch- und Jagd, Allemendrechte).


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Man wandte sich auch gegen die immer stärker werdende Leibeigenschaft. Diese Forderungen sind wohl auch die wesentlichsten Punkte des Vertrages von Forst. »Viertens ist festzustellen, dass die pfälzischen Bauern keine eigenen Programme erstellt haben; jedenfalls findet sich nirgends ein Hinweis darauf.

Sie übernahmen allerdings (...) die Zwölf Artikel der schwäbischen Bauern...«(67) Beide Teile allerdings hielten ihre Zusagen nicht ein.

Die Bauern zerstreuten sich nicht oder nur zum Teil, der Landtag wurde nicht einberufen. Allerdings hätte der Vertrag von Forst den Aufstand unblutig beenden können. »Wären die Zusagen von beiden Seiten eingehalten worden, hätten die Forster Abmachung die entscheidende Wende im pfälzischen Bauernkrieg bringen können. Doch es sollte anders kommen.«(68)

Der Aufruhr ging noch einen Monat weiter!
Der Bockenheimer und der Nußdorfer Haufen trennten sich und zogen nach Norden resp. Süden. Am 20. Mai kam es zu einer Neuversammlung bei Mörlheim, von da aus wurde u.a. die Madenburg zerstört, wie schon erwähnt.
Am 4. Juni versammelten sich die Bauern wieder bei Neustadt und griffen von dort aus Burgen und Schlösser an. Am 23. und 24. Juni 1525 besiegten der Kurfürst und seine Verbündeten die Bauern bei Pfeddersheim entscheidend.


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5. Die Bestrafung – oder waren Nußdorfer am Bauernkrieg beteiligt?

Kann man von einem »Nußdorfer Haufen« sprechen? Wenn man den Ort der »Rottung« zugrundelegt, dann sicherlich.
Somit hatte sich der Nußdorfer Haufen am 23. April 1525 gebildet, bei Geilweiler versammelt und sich recht schnell wieder aufgelöst.
Die Neuversammlung bei dem Geilweiler Hof am 5. Mai bildete den Geilweiler Haufen, als Neuversammlung der Nußdorfer.(69)

Hier schon muss eingehakt werden. Denn waren es die Nußdorfer, also Nußdorfer Bauern? Ich habe schon eingangs dargelegt, dass die 200 Aufrührer, die sich dann in der Nacht vom 23. auf den 24. April auf 500 Mann verstärkten, nicht nur Nußdorfer gewesen sein konnten.
Vielmehr werden Nußdorfer nicht genannt. Wie kann man aber nun feststellen, ob Nußdorfer am Aufruhr oder an der Schlacht bei Pfeddersheim beteiligt gewesen waren? Unsere einzige Quelle hierfür sind die Ratsprotokolle der Stadt Landau, die sich ja mit den Vorgängen in ihrem Außendorf beschäftigen mussten.

Nicht nur die Außendörfer Nußdorf, Dammheim und Queichheim waren von Aufruhr betroffen, sondern auch Bürger von Landau selbst. Aber der Rat verhielt sich sehr ambivalent.
Zwar unternahm er Maßnahmen, Ruhe und Ordnung in der Stadt zu bewahren, gleichzeitig aber scheute er sich eindeutig vor einem zu harten und stringenten Vorgehen. Er konnte aber Aktionen der Außendörfer nicht vermeiden. So waren wohl Bürger der Stadt an der Zerstörung von Klostergut während des ersten Zuges beteiligt.

Einen Monat nach Pfeddersheim kam man zu Übereinkunft darüber, dass die Stadt die Schäden, die ihre Bürger dem Propst zu Hördt und dem Ordenkomtur von Heimbach zugefügt hatten.(70)

Will man den »Nußdorfer Haufen« vom 23. April hierfür verantwortlich machen, so ist dies durchaus zulässig. Denn der Anstoß zu diesem ersten Zug kam aus Nußdorf. Ebenso hatten die Bauern der Außendörfer sich an der Entschädigung für den Junker Schliederer zu beteiligen, dessen Gut in Deidesheim beschädigt worden war.(71)
Diese Aktion muss kurz nach dem Vertrag von Forst, also im nach dem 10. Mai stattgefunden haben, und belegt, dass Bauern der Außendörfer an dem Zug nach Forst und den Plünderungen danach beteiligt gewesen waren.


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Trotz der Beteiligung der Außendörfer und Sympathien für die Bauernsache blieb es in Landau weitgehend ruhig. Aus dem Ratsprotokoll vom 28. April geht eindeutig hervor, dass die Stadt mit den Bauern keine gemeinsame Sache machen würde.(72)

Die Stadttore wurden besonders gesichert, die Wachen verstärkt, der Verkauf von Pulver verboten. Übergriffe auf die Geistlichkeit in der Stadt konnten nicht ganz verhindert, aber in Grenzen gehalten werden. Auch mussten die Stadtväter, als die Bauern Ende Mai in Mörlheim lagerten, einer Abgabe von Wein und Früchten, die die Klöster Hornbach, Eußerthal, Hördt und Klingenmünster in die Stadt gebracht hatten, dulden.(73)
Nach dem Wegzug des Mörlheimer Haufens Ende Mai, aber noch vor der Schlacht von Pfeddersheim vom 23./24. Juni, traf man in Landau Maßnahmen. Man befürchtete wohl eine Niederlage der Bauernsache, da ein kurpfälzisches Heer im Anmarsch war.
Nach der Schlacht versuchte man zum einen einen Zuzug flüchtiger Bauern hinter die Mauern der Stadt zu verhindern, gleichzeitig aber auch die Bestrafung der beteiligten Bürger vorzubereiten.(74)

Der Zug des Kurfürsten durch die Pfalz und die Bestrafung der kurpfälzischen Städte Pfeddersheim, Freinsheim und Neustadt, hatten gezeigt, dass es dem Kurfürsten mit seiner Strafaktion ernst war. Nun befürchtet man in Landau, dass der Kurfürst der Stadt anlasten könnte, an Übergriffen auf kurpfälzischen Besitz, die ja im Umfeld der Stadt tatsächlich stattfanden, beteiligt gewesen zu sein.
Ähnlich war später die Begründung für die Belagerung Weißenburgs formuliert. Der Landauer Magistrat lieferte Untertanen ebenso aus, wie er gegen Bürger der Stadt vorging, die mit den Bauern gemeinsame Sache gemacht hatten.

Am 2. Juli traf das Heer des Kurfürsten vor der Stadt ein. Der Fürst selbst nahm Quartier in Godramstein, legte seine Truppen aber in die Dörfer, auch Fußknechte nach Nußdorf, die von den Landauern mit Wein bewirtet wurden.(75)

Am 4. Juli zog das fürstliche Heer weiter. Der Kurfürst hatte nichts gegen die Stadt unternommen, wohl weil er ihre Beteiligung am Bauernkrieg für marginal ansah. »Falls Kurpfalz in ihrem Gut oder recht geschädigt worden wäre, hätte der Kurfürst wohl kaum gezögert, eine Strafaktion gegen Landau zu starten.«(76)


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Suchen wir nach den Beteiligten.
Die Stadt Landau wäre aufgrund ihrer Rechtsstellung gegenüber Nußdorf berechtigt gewesen, ein Strafgericht über das Dorf hereinbrechen zu lassen, denn sie übte die Hochgerichtsbarkeit aus. Dem war aber nicht so!

Wieder ein Indiz dafür, dass die Beteiligung von Nußdorfern nicht über Gebühr ausgedehnt war.
Auch hätte der Kurfürst seine Eigenleute im Dorf zur Rechenschaft ziehen können, wie es z.B. in Minfeld geschah. Auch hiervon ist nichts verlautet worden. Alter schreibt: »Am 14. Juli 1525 wurde mit Strafmaßnahmen gegen die Bürger begonnen, die sich bereits in Nußdorf den Bauern angeschlossen hatten.«(77)

Hans von Bebingen und Jost von Dernbach wurden gefangengesetzt, »mit dem thurm gestrafft.«(78)

In den Namenslisten von Nußdorf aus der Zeit vor und nach dem Bauernkrieg tauchen beide nicht auf. Allerdings findet sich ein Hansen von Bechingen 1554 bei einer Renovation des Löwensteiner Hofguts in Nußdorf.(79)

Auch bei Jost von Dernbach verweist die Herkunft ins Löwensteinische. Hans von Bebingen war aber in Landau ansässig.
Beide wurden am 28. Juli gegen Schwören der Urfehde aus der Stadt gewiesen, die Frauen folgten ihnen nach. Wenn es sich bei Hans von Bebingen um eine Verschreibung handelt, könnte der 1554 genannte Hans von Bechingen der einzige Beteiligte sein, der auf Nußdorf verweist, dies aber mit der gebotenen Vorsicht betrachtet.


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Ebenfalls am 28. Juli wurden weitere Männer mit ihren Frauen ausgewiesen: Vausten Pflip, Hans Odenroller, Jacob Reynhardt, Halb Schultheis der Junge, Heynfeld Hensel der Junge und der Sohn von Schwartzkopf.(80)

Der Name Schultheiß taucht in Nußdorf 1502 auf, verschwindet aber bis 1534 und soll erst in einer Einwohnerliste aus dem Jahre 1575 wieder auftauchen. Im ersten Kirchenbuch von Nußdorf ist auch ein Halb Schultheiß erwähnt.

Alles dies ist aber nur ein Indiz, kein Beweis, dass die Familie Schultheiß am Bauernkrieg beteiligt war.
Am 8. August glaubte man sich der »Anfenger und Hauptleut« sicher sein zu dürfen. Stephan von Roßbach und Thomas Goldschmidt wurden verhaftet.

Nach längerem hin und her, Bürger der Stadt verwendeten sich für die Inhaftierten, der Stadtrat wollte einer Freilassung nicht zustimmen, wurden sie am 15. August 1525 mit Ausweisung verurteilt, letztlich aber erst im Dezember der Stadt verwiesen.

Am 14. August versammelten sich die Bauern der Außendörfer vor dem Rathaus, um nach dem »uffrur und emporungen«(81) ihren jeweiligen Obrigkeiten und der Stadt Landau den Treueid schwören mußten.


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6. Opfer

»Synt etliche der buwren, so geeynigt haben, zu Pfeddersheim erstochen worden.«(82)
4000 sollen es nach Harer gewesen sein.(83)
Selbst wenn die Zahl zu hoch gegriffene Siegerpropaganda ist, waren die Verluste der Bauern erheblich. Allerdings gibt es keine »Verlustlisten« für Landau oder Nußdorf.

Kirchenbücher wurden zu diesem Zeitpunkt noch keine geführt, und die vorhandenen Einwohnerlisten aus der Zeit um den Bauernkrieg können nur bedingt herangezogen werden.

1502 zählte Nußdorf 26 Haushaltsvorstände(84), neun Jahre nach dem Bauernkrieg waren es 29(85) .

Allerdings tauchen 13 Familiennamen in der Liste von 1534 nicht mehr auf, also die Hälfte.
Ein Zusammenhang mit dem Bauernkrieg scheint nahe zu liegen.

Zwei Jahre später tauchen allerdings von den 29 Namen von 1534 gerade noch 14 auf(86) – ganz ohne Bauernkrieg. Ob Cuntzigs Hanß, Gerhardts Deblold, Jung Veltin, Maischen Peter, Messerschmidt Hensel und Jost, Pfaffen Veltin, Schwab Heintz, Schultheißen Debolt, Lux Schultheiß, Nicolaus Schultheiß, Simon und Veltin Hensel und Peter Waidtfogel, die von 1502–1534 aus Nußdorf verschwinden, tatsächlich erschlagen auf der Pfeddersheimer Walstatt lagen, wird sich wohl nie klären lassen.

So kann man keinen einzelnen Nußdorfer für den Bauernkrieg von 1525 dingfest machen, allein der Zufall der ersten »Rottung« in unserer Region machte Nußdorf zu dem Ort, in dem für die Geschichtsschreibung bis heute der Pfälzische Bauernkrieg begann. Und in den brodelnden Tagen des Frühjahrs 1525 hätte es auch an einem anderen Ort bei einer anderen Kerwe geschehen können.

Historischer Nachruhm ist mitunter doch von Zufällen abhängig!


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Quelle: 1200 Jahre Nußdorf. Stationen einer Ortsgeschichte.
Hrsg.: Historischer Arbeitskreis Bauernkriegshaus Nußdorf/Pfalz. Landau, 2002


Der Bundschuh – Symbol der »Nußdorfer« 1525?

Von Rolf Übel

Wir kennen das Bild: Die Bundschuhfahne weht über dem Bauernkriegshaus anlässlich des Bauernhausfestes, Weingüter flaggen mit dem vermeintlichen Symbol des Bauernkrieges an der Kerwe, der Tambour des Fanfarenzugs trägt die Bundschuhfahne.

Der Bundschuh wird, in vollkommener Verkennung der historisch belegbaren Tatsachen, als Symbol des Pfälzischen Bauernkriegs – und in der Weiterführung dieses Gedankens – als Symbol des »Nußdorfer Haufens« gesehen:
Dies war er eindeutig nicht!

Schwer wird es der Historiker haben, der den objektiven Beweis erbringen will, dass der Bundschuh tatsächlich in der Pfalz geführt wurde.

Aber der Reihe nach: Wir schlagen ein Lexikon auf, unterrichten uns über den Begriff des Bundschuhs und erfahren: Ein Stück Leder, durch Riemen an den Knöcheln befestigt, als Schuh schon von den Germanen, später von den dt. Bauern getragen,(1) profan: Es handelt sich um eine Schuhform, die aus Rinderleder hergestellt und durch Bänder zusammengehalten wurde; als Bänder dienten Schnüre oder Riemen, die durch besondere, an der Oberfläche des Schuhs angebrachte Lederstreifen gezogen und die Wade heraufgewickelt wurden.

Viele Bauern konnten sich diesen Schuh aber nicht leisten: sicherlich trugen sie Fußlappen oder Holzschuhe.
Der Schuh war nicht nur Fußbekleidung: In der Zeit von 1493 bis 1517 Sinnbild, Feldzeichen und Name der aufständischen Bauernbünde in Südwestdeutschland, lesen wir im etymologischen Lexikon – nicht ganz richtig, wie wir später hören werden.(2)

Im Grimmschen Wörterbuch finden wir noch die Spezifizierung: Zeichen der Bauern im Gegensatz zum Stiefel des Adels, aber auch: Bund von binden, verbinden, dem Zusammengehen der Bauern in ihrem Kampf um Gerechtigkeit. Gleichzeitig symbolisiert der Bundschuh aber auch die Armut des Bauernstandes.(3)


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Ulrich Steinmann hat in seinem Aufsatz von 1960 keine eindeutige Ikonologie des Bundschuhs herausarbeiten können – und wollen, aber er hat nachgewiesen, dass diese Fahne (nicht das Symbol) auf einen Mann zurückgeht:
auf Joß Fritz.(4) Und Steinmann, wie auch Waas(5) , Rösner(6) und andere Forscher zum Bauernkrieg, konnten nachweisen, dass der Bundschuh beileibe nicht das einzige Symbol der aufständischen Bauern war.

Die Bundschuhfahne geht zurück auf die Bundschuhbewegung des ausgehenden 15. und frühen 16. Jh.
Bundschuh

Die Vorläufer des Bauernkriegs, vor allem der Arme Konrad in Württemberg, waren lokale Ereignisse. Von der Bundschuhbewegung, die letztendlich die Bundschuhfahne als Symbol des Bauernkriegs hervorbrachte, kann dies nicht gesagt werden. Diese Konspiration überzog ganz Südwestdeutschland, und sie ist an einen Mann geknüpft, der sie wie kein zweiter repräsentiert – Joß Fritz.(7)


Joß Fritz verschwindet im Jahre 1524 aus der Geschichte.

Den Bauernkrieg, den er so maßgeblich vorbereitet hatte, erlebte er anscheinend nicht mehr. Trotzdem muss er als eine der großen Gestalten des Bauernkriegs gelten, dessen Bewegung sicherlich auch in die Pfalz wirkte.

1493 begegnet uns die Bewegung des Bundschuh, die später mit dem Namen Joß Fritz verbunden sein sollte, zum ersten Mal, in Schlettstadt im Elsass. Wie schon der Arme Konrad war auch der erste Bundschuh gegen einen bestimmten Landesherren gerichtet, gegen den Bischof von Straßburg.

Jacob Hauser und Hans Ullmann sollten zu den Sprechern der Bewegung werden, deren Forderungen uns bekannt sind. Eindeutig benannte sich die Bewegung nach der bäuerlichen Fußkleidung, ebenso eindeutig wurde das Symbol als Fahne aber noch nicht geführt.

Die Bundschuhfahne ist in keiner zeitgenössischen Quelle erwähnt.
Die wesentlichsten Forderungen des ersten Bundschuh waren:

• Das geistliche Gericht in Straßburg sollte die Schultheißengerichte nicht in ihren Kompetenzen beschneiden.
• Die indirekten Steuern sollten abgeschafft werden.
• Übermäßige Hand- und Spanndienste und das Besthaupt sollten abgelehnt werden, ebenso die Fisch-, Wald-; Weide-, Etter(8) - und Waffenrechte der Bauern nicht beschnitten werden.


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Der erste Bundschuh wurde noch vor dem Losbrechen zerschlagen. Aber viele seiner Forderungen tauchten später wieder auf – auch in der Pfalz.
Neun Jahre später kam es zu einer zweiten Bundschuhbewegung, diesmal im Bistum Speyer, die wohl auch ihre Auswirkungen in die Pfalz gehabt haben dürfte – und dieser zweite Bundschuh ist nun direkt mit der Person des Joß Fritz verbunden.

Zwei Komponenten kamen zu Beginn des 16. Jh. im Bistum zusammen: Die Erweckungsbewegung, verbunden mit den allenthalben bekannt werdenden Kreuzwundern, und die desolate finanzielle Lage im Bistum, die auch verheerende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der Bauern hatte.

Die Schuldenlast hatte sich unter Bischof Matthias Ramung auf 200 000 Gulden erhöht, sein Nachfolger Ludwig von Sötern hatte eine jährliche Zinslast von über 9000 Gulden zu zahlen. Matthias Ramung hatte das Geld vornehmlich für die Gebietsarrondierung, aber auch für Luxusbauten verwendet. Gemeiner Pfennig (Landfriedensgebühr), Bede (Grundsteuer) und Ungelder (Verbrauchssteuern) wurden im Bistum erhöht, um die Schuldenlast abzubauen. Auch die bäuerlichen Gewohnheitsrechte wurden immer mehr beschnitten, die Steuerüberwachung in einer bis dato noch nicht bekannten Art ausgebaut und die Nutzung des Gemeinen Pfennigs zweckentfremdet.

Auch theologische Forderungen traten hinzu: Der Lebenswandel der Geistlichen wurde angeprangert wie auch der Wegfall der karitativen Leistungen der Kirche. Der soziale und ideelle Boden für einen Aufruhr war also geschaffen, es fehlte nur an der Person, die Saat auszubringen.

»Der Bruchsaler Bundschuh besaß in Joß Fritz aus Untergrombach seinen initiierenden und führenden Kopf. Ohne ihn wäre wohl kaum der bisher rein elsässische Gedanke neubelebt worden, und ohne ihn hätte es die noch folgenden Bundschuhbewegungen in Süddeutschland bis zum Beginn des großen Bauernkrieg nicht gegeben«.(9)


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Wenig wissen wir über das Leben dieses Mannes. Möglicherweise stammte er aus Untergrombach, wo er 1502 auftauchte. Vermutlich wurde er um 1470 geboren.
In der Gegend um Untergrombach ist der Familienname Fritz recht häufig. Er könnte Söldner gewesen sein, denn seine militärischen Kenntnisse lassen diese Möglichkeit zu. Auch seine Nichterwähnung in dem »Pfennigbüchlein« von 1500(10) legt den Schluss nahe, dass er sich zu diesem Zeitpunkt außer Landes aufhielt.

Er soll groß gewachsen, dunkelhäutig und –haarig, mit einem Mal auf der (linken) Hand gewesen sein.
Allerdings gibt es keine gesicherte zeitgenössische Darstellung von ihm. Die einzige, die in Frage käme und einen Mann mit einem solchen Mal zeigt, ist umstritten.(11) Seine persönlichen Lebensumstände liegen also fast vollständig im dunkeln. 1501 tauchte er auf, er führte Werbungen für den Bundschuh im Hochstift Speyer durch. Wie gesagt, er hielt sich an die Programmatik der Schlettstatter, obwohl dadurch natürlich nicht bewiesen ist, dass er auch an diesem Aufstand schon beteiligt gewesen war. »Nichts als die Gerechtigkeit Gottes« wurde zu seinem Slogan. Ergänzt wurde dieses Motto auch mit der Forderung, die Reichsunmittelbarkeit der Bauern wiederherzustellen, den Königsbauern zum einzig möglichen Status zu erklären – und damit konsequenterweise die Macht von Landadel und Klerus einzuschränken.

Joß Fritz glaubte, dass er der Mann war, die verlorengegangene Bindung zwischen Kaiser/König und der Bauernschaft wieder herzustellen. Damit setzte Fritz auch Grundgedanken der »Reformatio Sigismundi« um.

Diese Schrift, 1439 als Handschrift und 1476 im Druck erschienen, hielt an der bestehenden sozialen Ordnung als gottgegeben fest, allerdings formulierte sie auch Reformgedanken wie die Abschaffung der immer stärker um sich greifenden Leibeigenschaft.

Auch die berühmte Memminger Flugschrift von 1487 stellte die Gesellschaft eher konzentrisch als hierarchisch dar und sah eine direkte Verbindung zwischen den Bauern und dem Kaiser, einen Gedanken, den Joß Fritz aufgriff. Er musste damit aber konsequenterweise die Landesherren auf den Plan rufen.

Neue, antiklerikale Lehren eines Jan Hus oder John Wicliff taten das ihrige, vor allem den Klerus zum Intimfeind des Bundschuh werden zu lassen. Dies griff umso mehr, da der Bischof von Speyer als Oberhaupt des Hochstifts auch weltlicher Herrscher war, wenngleich Bistum und Hochstift natürlich nicht deckungsgleich waren.


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War die Person des Bischofs zuerst nicht in der Zielrichtung der Aufrührer, so trafen Fritzens Forderungen zuerst den niederen Klerus und die Orden. Diese sollten ihrer Güter und Pfründe verlustig werden, fernerhin wurde ein gottgefälliges Leben von ihnen erwartet, in Armut und Demut und fern dem Laster – also weit weg von der Lebensrealität von Mönchen und Priestern der damaligen Zeit. Und noch weiter entfernt von dem Luxusleben des hohen Klerus.

Die Zielsetzung war klar, aber Joß Fritz scheute den offenen Aufruhr. Er plante eine Organisation im Verborgenen. Die Vaganten bildeten seine Nachrichtenstränge, gardende Landsknechte seine Rekrutierungs- und Ausbildungsfachleute. 1

502 sollten dem Bundschuh 7000 Männer und 500 Landsknechte angehört haben. Andere Autoren setzen die Zahl sogar noch höher an: 20 000 Menschen, darunter 400 Frauen und 500 Landsknechte.(12) Schon lange war die Bewegung nicht mehr auf das Hochstift Speyer beschränkt.

Auch Untertanen anderer Herrschaften, v.a. Kurpfälzer beteiligten sich an der Vorbereitung des Aufstandes, wie die späteren Untersuchungsprotokolle belegen. Kurz vor dem geplanten Losschlagen im Jahre 1502 wurde der Bundschuh verraten, viele seiner Hauptleute gefangen und gefoltert. Hinrichtungen folgten und das Abschlagen der Schwurfinger, Strafe wegen Verstoßes gegen den Untertaneneid dem Bischof gegenüber, war eine häufig angewandte Strafe.

In den Folgejahren sollen die Bundschuhleute vornehmlich an dieser Verstümmelung erkannt worden sein. Viele flohen außer Landes, auch in die Pfalz, wo sie aber nicht, wie in der Populärliteratur zu lesen, ein neues Netz der Verschwörung woben.

»Wie wir sehen, war der Bruchsaler Bundschuh von 1502 nur die Spitze eines Eisbergs gewesen. In weiten Teilen Südwestdeutschlands war es damals unruhig. Nach waren die Obrigkeiten glimpflich davongekommen«.(13)

Für unseren Zusammenhang ist von Bedeutung, dass sich der Bundschuh in Speyer eine erste Fahne schuf, mit dem Bundschuh als Symbol und dem Satz: »Gottes Gerechtigkeit«. Über zehn Jahre lang hörte man von dem Bundschuh nichts, bis Joß Fritz 1513 in Lehen im Breisgau wieder auftauchte. Er soll dort als Feldhüter gelebt haben.


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Zwischenzeitlich hatte er in Stockach am Bodensee geheiratet, über seine Frau (Else Schmidt) und mgl. Kinder wie über die genauen Lebensumstände der Familie ist nichts bekannt. Eine 1513 gedruckte Schrift wird ihm zugesprochen: Diese prangerte den kaiserlichen Machtzerfall an, fordert den Kaiser auf, seine Rechte gegenüber den Landesfürsten durchzusetzen und die Rechte der Bauern zu wahren.

Die Artikel des Breisgauer Bundschuhs waren viel konkreter als die des Bruchsalers. »Trotz aller Schärfe knüpften die Artikel an die gegebenen Wirklichkeiten an. Sie sind nicht wie in Speyer ohne Maß: Joß Fritz wollte nicht mehr alle Obrigkeiten und Abgaben abschaffen, er erkannte bestimmte Abhängigkeiten durchaus an und versuchte nur, sie aufzulockern (...) Die Bundschuhartikel waren Joß Fritzens eigenes Werk. Er war die Seele des neuen Aufstandes.«(14)

Im Breisgau gab Joß Fritz auch eine Fahne in Auftrag. Als der Bundschuh 1512 zerschlagen wurde, blieb die Fahne im Besitz von Joß Fritz. Spätestens ab 1512 galt der Bundschuh auch als Fahnenmotto der aufständischen Bauern, als Symbol des bäuerlichen Aufbegehren war er älter. Nach der Niederschlagung seiner Bewegung schloss sich Fritz wieder Landsknechten an, deren Verbindungen und Nachrichtenwege er nutzte.

Das letzte Mal begegnet uns Joß Fritz im Jahre 1517. Angeblich soll er auch hier die Bundschuhfahne getragen haben, die er auf seiner Brust unter dem Hemd versteckt bewahrt hatte. Wieder versuchte er, eine Bundschuhbewegung am Oberrhein aufzubauen, vor allem in Bretten und Umgebung. Wieder wurde er verraten – und nun verschwand der erste Bauernführer in der Geschichte.

Am Bauernkrieg selbst, den er so maßgeblich vorbereitet hatte, nahm er nicht teil. Wahrscheinlich war er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr am Leben. Es gibt nur einen vagen Hinweis, dass er, schon ein alter Mann Mitte 50, bei den aufständischen Bauern im Schwarzwald aufgetaucht sein soll, wenn diese Angabe überhaupt stimmt. Ein führende Position nahm er nicht mehr ein,. Er soll in der Schweiz gestorben sein.

Über die Bedeutung Joß Fritzens für den Bauernkrieg ist sich die Forschung einig:
»Joß Fritz war kein Anarchist und kein religiöser Schwärmer. Im Gegensatz zum Pfeifferhänslein hatte er ein Konzept für eine politische und soziale Neuordnung im Reich. Er war ein echter Reformer, und er war Pragmatiker. Nur so konnte er jahrelang seinen zähen Kampf im Dunkeln führen und aus dem Nichts heraus eine perfekte Organisation aufbauen.«(15)


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Engels nannte ihn: »(...) einen in jeder Beziehung hervorragenden Charakter (...) Es gelang dem diplomatischen Talent und der unermüdlichen Ausdauer dieses Mannes, eine ungemeine Anzahl von Leuten der verschiedensten Klassen in den Bund zu verwickeln: Ritter, Pfaffen, Bürger, Plebejer und Bauern.«(16) Für Engels war er der Vorläufer des Typus des Berufsrevolutionärs, für Alter »einer der ersten großen Bauernführer«.(17)

Waas sieht ihn:
»Getrieben vom Feuer der religiösen Aufstandsbewegung, mit Umsicht und Energie an die Gestaltung ihrer weitschauenden Pläne herangehend, dem charakterlich nichts vorzuwerfen ist.«(18) Und Alter schreibt über ihn: »Er war einer der ersten großen Bauernführer.«
Der Bundschuh als Symbol des »Bauernkriegs«

Joß Fritz hatte den Bundschuh nicht erfunden – er hatte ihn übernommen. »Der Bundschuh hatte für unser heutiges Empfinden schwer begreifliche symbolische Bedeutung.

Er verkörperte Kraft und Redlichkeit, aber auch Mut, für Recht und Freiheit zu kämpfen. Immer wenn eine Gruppe von Menschen sich durch die Machthaber ungerecht behandelt fühlte, war es Brauch, einen Bundschuh auf eine Stange zu stecken, um ihren Groll zu demonstrieren.

Das Wort »den Bundschuh aufwerfen« wurde zum synonym für »sich mit Waffen Recht verschaffen« – einen Aufstand machen. Es wurde gefährlich, das Wort überhaupt in den Mund zu nehmen. Wer es tat, musste damit rechnen, eingekerkert zu werden.«(19)
1439 hatten sich die Bauern erstmalig unter dem aufgesteckten Bundschuh versammelt. Die Bauern um Straßburg hatten sich versammelt, um gegen marodierende Armagnaken zu ziehen. Im 15. Jh. gab es eine Reihe von Bundschuhbewegungen:

  • 1443 Das Dorf Schliengen am Oberrhein steckt den Bundschuh auf, um sich gegen eine Landschatzung des Baseler Bischofs zu wehren.
  • 1444 Rheinfelden: Die Bauern ziehen gegen die Armagnaken.
  • 1450 Die Bauern von Ulm riefen den Bundschuh aus.
  • 1460 Während des Waldshuter Krieges zwischen der Eidgenossenschaft und Österreich nutzten in die Hegauer Bauern. Ihr Landsknechtshaufen führte den Bundschuh in der Fahne.


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Joß Fritz hat den Bundschuh also nicht erfunden, die Schlettstadter Bundschuhleute waren die Ersten, die sich in unserem Raum nachweislich nach ihm benannten. Eine Fahne ist aber für das Elsass nicht nachgewiesen.


Es gab aber um die Zeit des Schlettstadter Bundschuhs schon Fahnen, die mit dem Bundschuh bestickt oder bemalt waren, wie die Holzschnitte von 1490 und 1502 belegen. Der Bundschuh als Symbol des Bauern konnotiert zum Symbol des bäuerlichen Aufruhr.

Dabei handelte es sich zuerst tatsächlich um das auf eine Stange gesteckte Schuhwerk, wie auf einem Holzschnitt von 1490 zu sehen.(20) Ein Soldknecht trägt einen Bundschuh an seiner Lanze.

Die älteste Darstellung einer Bundschuhfahne stammt aus dem Jahre 1502. Sie entstand im Umfeld es speyerischen Bundschuh und könnte der Versuch sein, die Bundschuhfahne, wie sie sich die Bauern und ihre Führer vorstellten, bildlich darzustellen.(21)
Sie kommt der heute bekannten, und auch in Nußdorf gezeigten Bundschuhfahne sehr nahe, scheint aber kein Abbild der Fahne der Bundschuher aus dem Hochstift Speyer zu sein.
Die Bundschuhfahne des Joß Fritz(22) aus dem Jahre 1502 sollte Feldzeichen und Programm sein. Als ehemaliger Söldner wusste Fritz um die Bedeutung der Fahne bei militärischen Aktionen, er kannte aber auch die Bedeutung der Bildsprache auf Fahnen. Sie galt es zu nutzen. Die Fahne sollte zweifarbig sein: weiß und blau. Hierin sollte ein Bild des Heilands gemalt werden, wie er dem hl. Gregorius erschienen war; auf der anderen Seite sollte das Zeichen des Bundes, der Bundschuh, erscheinen, davor ein kniender Bauer mit gefalteten Händen, über ihm die Schrift: »Nichts denn die Gerechtigkeit Gottes«.

Das Programm Fritzens spiegelt sich auf dieser Fahne: Er wollte keine Revolution, bekannte sich zum Christentum.

Er war auch bereit, die Rechte der bestehenden Obrigkeiten anzuerkennen, soweit sie aus der Gerechtigkeit Gottes, also aus der Heiligen Schrift, abgeleitet waren.
Sein Programm kannte keine atheistischen oder anarchistischen Tendenzen, er forderte die Reformation alter Verhältnisse, wie es die Krainer Bauern mit ihrem Fahnenmotto »Starja prawda« (Das alte Recht) auch getan hatten. Er nahm damit in der Symbolsprache seiner Fahne eine der wichtigsten Forderungen der Bauern des Jahres 1525 vorweg.


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Jesus der Gekreuzigte war auf der ersten Bundschuhfahne wohl nicht abgebildet, vielmehr der sog. Gregorianische Schmerzensmann mit Marterwerkzeugen.(23)

Die Fahne war also aus Seide in den Farben des Bistum Speyer. Vor allem das Motiv des Greg. Schmerzensmannes war aus der Schweiz importiert, wieder ein Hinweis darauf, dass es sich bei Fritz um einen Reisläufer handelt, deren besten Vertreter aus der Schweiz kamen.
Die hier ikongraphisch erläuterte Fahne wurde aber nie hergestellt: Die Aufdeckung des Bundschuh verhinderte dies. Allerdings scheint Joß Fritz das seidene Tuch schon gekauft und auch vorgezeigt zu haben.

Aus dem Namen der Bewegung war nun ein Symbol geworden, eine Fahne, auch wenn sie noch nicht bemalt war und sich ihre Ausgestaltung allein im Kopf ihres Erfinders befand.

Ihr Tuch, das tatsächlich angekauft worden war, war keineswegs schwarz, wie es auf einigen Abbildungen zu sehen ist und in der Nußdorfer Ortstradition noch heute fortlebt – vielmehr blau und weiß – sie war aus Seide –, sie war auch kein Banner, sondern ein Fähnlein, einer taktischen Standarte der Landsknechte ähnlicher als dem geworfenen Banner des Nußdorfer Fanfarenzuges.

Joß Fritz soll das Tuch am Körper geschmuggelt haben, was auch nur eine gewisse Größe des Tuches zulässt. Er hatte es 1502 nicht geschafft, die Fahne bemalen zu lassen. Auch konnte er 1512 in Freiburg keinen Fahnenmaler finden, der das Tuch nach seinen Vorstellungen bemalen wollte. Er reiste nach Heilbronn und gab die Fahne in Auftrag.

Versuche in Lehen waren fehlgeschlagen. Zum (militärischen) Einsatz kam sie jedoch nie, denn der Aufstand wurde verraten, während Joß Fritz in Heinbronn die Fahne bemalen ließ..
Die Fahne, ein weiß-blaues Seidentuch, war mit verschiedenen Symbolen bemalt – und natürlich dem Bundschuh.

Joß Fritz hatte dieses Symbol aber wohl noch bekannter gemacht, als es ohnehin schon war, denn nach 1512 tauchen viele Darstellungen von Bundschuhfahnen auf. Auch Flugschriften verbreiteten die Nachricht vom Bundschuh über die Grenzen Süddeutschlands hinaus, so die 1514 erschienene Schrift des Baseler Buchdruckers Pamphilius Gengenbach, der von Joß Fritz berichtete –wie er »vom Bundschuh geredet«.

Bei der ersten Ausgabe (Basel 1514) ist noch eine Bundschuh in einem schwarzen quadratischen Tuch abgebildet, der der Abbildung von 1502 stark ähnelt. In einer weiteren Auflage ist die Bundschuhfahne allerdings abgebildet, in einer Form, die der Realität sehr nahe kommen könnte.(24)


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In diesem Traktat ist die Bundschuhfahne in ihrer gesamten Ikonographie abgebildet, sie zeigt, dass der Bundschuh die Fahne mit nur einem Symbol, wie wir sie heute kennen, nicht führte. Gengenbach bringt den Bundschuh in verschiedenen Titelkupfern durchaus verschieden: In seinem ersten Druck von 1514 steht ein Bauer auf einem Bundschuhbanner.

Auch in der zweiten Auflage trägt der Titel eine Bundschuhfahne, diesmal mit einer Kreuzigungsgruppe, das Kreuz steht auf einem Bundschuh, kniende Bauern davor.(25)

Der tatsächlichen Bundschuhfahne kommt der Holzschnitt bei der 1514er Ausgabe wohl am nächsten. Der Schnitt zeigt einen Bauern mit Kappe und Schwert. Die Fahne, an einer Stange befestigt, zeigt von links nach rechts: Eine leere Wappenkartusche, eine Kreuzigungsgruppe und ein weiteres Wappen. Es handelt sich hier um eine Retusche, denn in dem linken Wappen befand sich augenscheinlich der Reichsadler. Die Kreuzigungsgruppe in der Mitte ist deutlich zu erkennen. Bei dem Wappen mit dem Eichenzweig handelt es wiederum um eine Retusche, denn es handelt sich um das Wappen des Papstes Julius II., bei dem die bekrönende Tiara weggenommen wurde.

Der Bundschuh, der sicherlich die Rückseite der Fahne zierte, ist zu Füßen des Bauern abgebildet. Der Schriftzug Fahne ist nicht wiedergegeben. In Frage kommen: »Nichts als die Gerechtigkeit Gottes«; »Herr stand diner göttlichen Gerechtigkeit bi« oder »Barmherziger Gott, hilf den armen zu Rächt«. Der Text ist nicht eigens erwähnt. Wahrscheinlich ist die Fahnenparole dem Speyerer Bundschuh entlehnt.

Die hier abgebildete Fahne war die Fahne des Joß Fritz, sie stimmt mit den Zeugenaussagen der Bundschuher überein. Papst und Kaiserwappen zeigen ein Abrücken von den radikalen Forderungen des Speyerer Bundschuhs. Die weltlichen und geistlichen Obrigkeiten werden anerkannt, ebenfalls die allumfassende christliche Religion, aber die Forderungen nach dem alten Recht, basierend auf dem göttlichen, bleibt.
Der Bundschuh wurde aber nicht nur in Originalform überliefert.
Nach 1513 wird der Bundschuh auch in Traktaten mit den Bauern und ihren Forderungen in Verbindung gebracht. 1514 erscheint Urs Grafens Schnitte zum »Narrenschiff vom Bundschuh«. Diese zeigen u.a. einen mit einem Bidenhänder bewaffneten Soldknecht, der eine Bundschuhfahne führt.(26)

Der Hinweis auf die Söldner, die sich im Bundschuh versammelt hatten, ist offensichtlich.
1514 wird der Bundschuh gezeigt im »Narrenschiff vom Bundschuh«(27) , die Anführer Jacob Huser und Joß Fritz genannt.

Die Person am linken unteren Bildrand wird wegen des Males auf der linken Hand häufig als Joß Fritz angesehen. Das Bild zeigt Bauern und Söldner, die den Bundschuh nicht als Fahne tragen, sondern ihn aufgesteckt haben, als Zeichen des Aufruhres – und ein Narr trägt den Bundschuh. Gleichzeitig, in der Konnotation nicht direkt zuordenbar, findet sich aber auch der Bundschuh als Träger des Narrenschiffes. Das Narrenschiff von Sebastian Brand zeichnete ein negatives Bild des reichen, habsüchtigen und trägen Bauern – dieses Bild wird im Text des »Narrenschiff vom Bundschuh« konsequent weitergesponnen, denn nun wird der Bauer auch noch aufrührig.

Die Gegner der Bauern nutzen den Bundschuh auch propagandistisch für ihre Zwecke.
1522 brachten eine Schrift Luther mit dem Bundschuh in Verbindung: Thomas Murners Traktat vom »großen lutherischen Narren«. Die Illustrationen zeigen einen schwerttragenden Bauern mit der Bundschuhfahne, Luther wird als Bauernverführer dargestellt, der den »Bundschuh schmiert« (»Wie der Luther den hanebuch schmierr, dass er den einfaltigen menschen angenen bleib«.) Luther, der von der Obrigkeit als geistiger Brandstifter gesehen wurde, soll sich später in der Schrift wider die 12 Artikel der Bauernschaft, wie auch in seiner Schrift »Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern« vehement gegen diesen Vorwurf zur Wehr setzen. Seine Gegner brachten ihn aber mit der Bundschuhbewegung in Verbindung.(28)

Die einzige bildliche Darstellung, die die Bundschuhfahne mit dem Bauernaufstand von 1525 zusammenbringt, ist die des Petrarca-Meisters »Bauern bedrängen ihren Herren«.(29) Sie ist undatiert, zwischen 1520 und 1532 entstanden. Es lässt sich nicht nachweisen, dass dieser Holzschnitt tatsächlich im Bauernkrieg entstand, und nicht schon vorher oder erst nachher.

Der Petrarcameister stammte aus dem süddeutschen Raum, es ist also durchaus möglich, dass er den Bundschuh kannte. Würde ich Voglers Datierung folgen, so wäre das Bild zwischen 1519/20 entstanden – und zeigte daher die Bundschuhbewegung und nicht den Bauernkrieg. Es fehlt aber die Inschrift über dem Bundschuh, somit hat der Meister das Symbol frei gestaltet. Er zeigt nur eine Seite der Fahne, die mit dem Bundschuh. Und somit prägte er den Topos von der Bundschuhfahne im Bauernkrieg. Und diese Fahne ist, ob nun bewusst oder unbewusst, eindeutig das Vorbild für die Nußdorfer Fahne.

Vor dem Bauernkrieg taucht er außer bei dem Bundschuh des Joß Fritz auch 1522 beim Armen Konrad im Remstal auf. Aber schon die Stühlinger zeigen bei ihrem Aufstand 1524 den Bundschuh nicht.
Der Bundschuh, dieses Symbol des bäuerlichen Aufruhrs, ist im Bauernkrieg auf Fahnen nur zweimal nachgewiesen.
Bei den Bauern im Münstertal im Schwarzwald und bei den Bauern von Mömpelgard.(30) Somit kann der Bundschuh nicht als Symbol des großen deutschen Bauernkriegs gelten.
Kommen wir zum Beginn meiner Ausführungen zurück: Können die Nußdorfer mit Recht die Bundschuhfahne zum Bauernhausfest hissen oder bei aufmüpfigen Aktionen? Sicherlich, wenn man sich der Tradition des Bauernkrieges erinnert. Nicht aber, wenn man einen historischen Beleg dafür heranziehen will, dass der Bundschuh tatsächlich bei dem Pfälzischen Bauernkrieg oder bei der ersten Zusammenrottung in Nußdorf im April 1525 gezeigt wurde.


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Es gibt hierfür keinen einzigen belegbaren Hinweis. Die Landauer Quellen sprechen zwar von »bundschuhig geläufft«, denken hier aber wohl mehr an die Bundschuhbewegung als an die Bundschuhfahne.

Der Bundschuh als Symbol auf einer Fahne ist quellenmäßig nicht fassbar, das Gedankengut, das die Bundschuhbewegung ausmachte, durchaus! Die Tradition der Vorläufer des Bauernkrieges, ihre Forderungen und politische Zielrichtung haben auch den Pfälzer Bauernkrieg geprägt. »Bundschuhig geläufft« war seit 100 Jahren ein Begriff, ebenso wie »den Bundschuh aufstecken«.

Bundschuh und Bauernkrieg sind untrennbar verbunden: Trotzdem musste nicht jeder Bauernhaufen in der Konsequenz den Bundschuh in der Fahne führen. Für den »Nußdorfer Haufen«, wie immer er zusammengesetzt sein mochte, gibt es hierfür keinen Beleg.

Ich kann natürlich auch nicht belegen, dass das Symbol der Bewegung von 1502/03 und 1512 nicht gezeigt wurde, die Nähe zum Hochstift Speyer lässt dies durchaus denkbar erscheinen. Aber mehr als eine begründbare Hypothese ist dies nicht.

Exakte Beweisführung verlangt nach Quellen oder nach bildlichen Darstellungen, und diese können derzeit nicht erbracht werden. Somit hat Friedrich Jossé wohl daran getan, bei seinen Illustrationen zu Emil Häusers Geschichte des »Bauernkrieges von 1525«(31)